Der Duft der DDR: Besuch bei einer Parfümsammlerin

Radebeul (dpa) - Egal ob erste Liebe oder große Freiheit: Ein Parfüm weckt bei vielen Menschen ganz bestimmte Assoziationen. Den Duft der DDR können Nostalgiker bei einer Sammlerin in Radebeul nachschnuppern.

Dafür ist allerdings eine starke Nase gefragt.

Schwarzer Samt und Casino deluxe haben sich in einer muffig-süßen Wolke vereinigt. Zusammen mit rund 1000 Flakons aus DDR-Zeiten stehen die beiden Düfte auf einem Dachboden in Sachsen. Eine Sammlerin hat in Radebeul die Parfüms der DDR zusammengetragen und sich damit ein privates Museum eingerichtet.

Mehr als zwanzig Jahre nach der Wende haben die Düfte allerdings nicht mehr viel von ihrer ursprünglichen Note. Die Fans von damals würden sich aber auch über die etwas muffige Variante freuen, sagt Kerstin Zimmermann. Viele kämen auf der Suche nach einem ganz bestimmten Parfüm zu ihr. „Ich denke, da spielt Nostalgie eine Rolle: Mit Düften sind oft sehr intensive Erinnerungen verbunden.“

Zimmermann selbst fand aus einem anderen Grund zu ihrem ungewöhnlichen Hobby. „Ich habe mal Miniatur-Flaschen von Westparfüm gesammelt“, berichtet sie. Auf Sammlerbörsen habe sie dann immer wieder gehört: „Ihr im Osten habt sowas ja nicht gehabt.“ Dieses Vorurteil will die gebürtige Dresdnerin widerlegen. „Die DDR war kein Luxusstaat und trotzdem wurde eine unheimliche Vielfalt an Parfüm produziert“, sagt die 53-Jährige. „Das finde ich faszinierend.“ Mittlerweile habe sie 100 verschiedene Marken entdeckt.

Wer den Duft des Ostens mit Florena verbindet, liege aber gar nicht so falsch. „Vor allem weil Florena vom Anfang bis zum Ende der DDR existiert hat“, erklärt die Duftkennerin. Zudem habe das Unternehmen nach 1972 viele Hersteller angegliedert. „Ein ganz typischer Duft, der sich durch die ganze DDR zog, war Schwarzer Samt.“ Auch er wurde von Florena hergestellt.

Das blau-weiße Logo erinnerte schon damals verdächtig an den westlichen Creme-Hersteller Nivea. „Es wurde auch ein bisschen in den Westen geschielt“, sagt Zimmermann. Das ostdeutsche Frisson sei etwa Diors Poison nachempfunden. Soir de Paris wurde im Osten zu Paris am Abend.

Zu Beginn der DDR hätten Namen wie Indisch Lotus oder Japanische Kirchblüte noch den Duft der großen, weiten Welt verheißen. „Da gab es noch die Hoffnung, dass die Leute mal rauskommen aus dem Land“, sagt Zimmermann. Die Namen hätten sich später aber geändert. „Sie hätten wahrscheinlich zu große Begehrlichkeiten geweckt.“ Fortan benannten die Macher ihre Düfte eher nach Blumen oder gaben ihnen menschliche Namen. „Bei Parfüm ist das allerdings schwer“, erklärt Zimmermann. „Es muss ja mit Luxus assoziiert werden.“

Der war in der DDR allerdings weniger ein Thema. Parfüm sei eher für die Außenwirkung hergestellt worden, glaubt die 53-Jährige. Um zu zeigen: Wir können mithalten. Überhaupt habe man im Arbeiter- und Bauernstaat nur selten Parfüm aufgelegt. „Die Frauen in der DDR waren unabhängig, die gingen arbeiten und hatten es nicht nötig, den Männern zu gefallen.“

Die Männer hingegen hätten eher zu Rasierwasser gegriffen - dann allerdings richtig. „In den 70er Jahren soll es morgens in der S-Bahn unerträglich nach Privileg gerochen haben“, berichtet Zimmermann.

Ein Besucher ihres kleinen Museums machte in Sachen Überdosierung seine ganz eigenen Erfahrungen. „Er kam an einem heißen Tag völlig verschwitzt im Westen an, um seine Schwiegereltern in spe kennenzulernen“, erzählt die Sammlerin. Aus lauter Not habe er sich von oben bis unten mit dem Rasierwasser Petralon eingerieben. „Das riecht furchtbar“, sagt sie. Aber es habe offensichtlich funktioniert: „Das Mädchen hat ihn geheiratet.“

Und die Sammlerin selbst? Sie ist vor allem von den Flakons der DDR-Düfte beeindruckt. „Es ist ein Stück Design-Geschichte.“ Ab und zu schnuppere sie zwar auch an den Fläschchen. Für den täglichen Gebrauch sei aber nichts dabei. „Ich habe einen Lieblingsduft, aber das ist ein Neuer.“

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