Schlabber-Trend: Jogginghosen werden salonfähig

Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Etwas schlampig, ausgebeult und vielleicht noch verwaschen: Jogginghosen aus Baumwolle galten bislang außerhalb vom Wohnzimmer als Inbegriff der Stillosigkeit. Das soll nun vorbei sein: Zahlreiche Designer wollen die Hosen salonfähig machen.

Mit Blazer und Bluse sollen Jogginghosen salonfähig werden. Der Modehersteller Closed kombiniert eine mausgraue, über den Knöcheln geschoppte Jogginghose zum smarten Pailletten-Jäckchen. Marc Cain schickt ein Model mit gekrempelter Trainingshose in Shorts-Länge über den Catwalk - ein klassischer Trenchcoat darüber soll dem legeren Beinkleid zur Straßentauglichkeit verhelfen. Doch wie kann sich ein Kleidungsstück, das bis vor kurzem noch an der eigenen Grundstücksgrenze seine modische Zulassung verlor, plötzlich als internationaler Trend etablieren?

„Ich denke, das hat mit der allgemeinen Casualisierung zu tun“, vermutet Christel Wickerath, Modeexpertin aus Frankfurt. „Die Menschen kleiden sich insgesamt immer lockerer und lässiger. Da war es nur eine Frage der Zeit, wann nach der Sweatjacke auch die Jogginghose ein Fashion-Item wird.“ Zudem werden Prominente in den USA häufig im Jogging-Look fotografiert, weil es dort schon lange modern ist, im Alltag sehr bequem gekleidet zu sein. Das seien Vorbilder, sagt die Redakteurin vom Branchenblatt „Textilwirtschaft“.

Und schließlich ist Jogginghose ja auch nicht gleich Jogginghose: Neben dem bekannten und teils verpönten Baumwoll-Mix in Sweat- oder Jersey-Qualität kommen nun auch Jogginghosen aus neuen Materialien ins Regal: „Das schwedische Label Acne brachte beispielsweise Jogginghosen aus bunt gemusterter Seide oder reiner Wolle heraus“, sagt Modeberater Andreas Rose aus Frankfurt.

Die Modehersteller bieten eine große Bandbreite von Varianten an. „Es gibt die schmale Jogginghose aus Sweatware, die an den Waden hochgezogen, sehr cool mit tiefem Schritt getragen wird und lässig auf der Hüfte sitzt“, erläutert Wickerath. „Daneben gibt es viele Pumphosen mit Blümchenmuster, die sich am Schnitt einer Jogginghose orientieren.“ Diese Variante werde derzeit besonders auf dem jungen Markt stark umworben.

Hauptsächlich sind die Hosen hellgrau bis grau-weiß meliert. Im Winter wird man diese auch häufig in dunklerem Grau bis Schwarz sehen. Closed kombiniert in seiner Winterkollektion etwa eine schwarze Jogginghose zum weißen Shirt, gemustertem Jäckchen und braun-schwarz gestreiften Socken.

Wer bei so viel gutem Willen der Designer dazu geneigt ist, der lässigen Trendhose eine Chance zu geben, sollte beim Styling jedoch einige Regeln beachten: „Die Jogginghose verlangt nach schmalen Partnern“, erläutert Rose. Man sollte keine weiten Blusen und Over-Size-Tops zum sportlichen Beinkleid tragen. Ratsam seien Kombinationen mit figurbetonten Oberteilen oder kurz geschnittenen, taillierten Blazern - so verliert das Gesamtoutfit seinen weiten Schlabberlook und bekommt einen feineren Anstrich.

An den Füßen muss es aber auch stimmen. Hier haben die Experten einstimmig einen Favoriten: High Heels statt Turnschuhe oder Schlappen. „Die verlängern das Bein und machen den Look salonfähig“, erläutert Rose. Allen, die es lieber flach mögen, rät Designerin Gesine Wessels aus Berlin zu Ballerinas. Gar nicht kleidsam seien Kombinationen mit Sneakers - damit gehe man besser joggen, mahnt Christel Wickerath.

Vertraut man jedoch dem Label Rich & Royal, sind im Winter auch Kombinationen mit lässigen Stiefelletten möglich, in die die Säume der Hosen mit Tunnelzug gesteckt werden. Das sonst eher konservativ anmutende Modehaus Marc O'Polo geht sogar noch einen Schritt weiter und zeigt ein Jogginghosen-Styling in Dreiviertel-Länge über gleichfarbigen Kniestrümpfen und dazu klobige Clogs.

Wer die Zielgruppe des neuen, legeren Trends ist? Darüber sind sich die Experten einig: Es gelte künftig kein einheitlicher Dress-Code für Geschäftsessen und Betriebssportgruppen: „Erlaubt ist momentan ja alles, ich finde aber, dass dieser Trend wirklich in die Freizeit oder die Ferien gehört - und weder im Büro, noch an sonstigen offiziellen Orten etwas verloren hat“, sagt Gesine Wessels. Andreas Rose ergänzt: „Nur kreativen, jungen und stylischen Leuten nimmt man diesen Look wirklich ab.“

Kräftige und untersetzte Figuren sollten laut dem Stylisten lieber die Finger davon lassen, denn der Look könne schnell kippen und wie eine Haushose wirken. Das sieht auch Christel Wickerath so und rät ab Konfektionsgröße 40 vom Jogginghosen-Trend außerhalb des Wohnzimmers und der Sporthalle ab. Allerdings betont sie auch: „Unsere Gesellschaft ist da heute schmerzfrei - und das hat ja auch etwas mit mehr Selbstbewusstsein zu tun, was wiederum positiv ist.“

Wer dennoch starke Zweifel hat, ob er seine Trainingshose nach der wöchentlichen Lauf-Runde zur Abwechslung mal elegant mit Blazer in die Stadt ausführen sollte, kann sich auf dieses Statement von Andreas Rose berufen: „Zum Glück muss man nicht jeden Trend mitmachen.“

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