Von Mofa bis Mao: Retro-Ausstellung widmet sich den 60ern

Oldenburg (dpa) - Wer schwelgt nicht gern in Erinnerungen? Vor allem in Krisenzeiten erzeugt der Blick zurück ein beruhigendes Wohlgefühl. Mit einer Nostalgie-Ausstellung entführt das Oldenburger Landesmuseum Besucher in die 60er-Jahre. Der Euro ist da schnell vergessen.

Alle Jahre wieder rollt eine neue Retro-Welle heran. Auf einmal ist das schick, was vor einiger Zeit noch als altbacken galt. Momentan erleben die 60er so ein Revival. Frauen tragen wieder Rüschenblusen, Männer schmale Anzüge. Die Avantgarde stellt Möbel auf, die der kultigen US-Serie „Mad Men“ entstammen könnten. Das Oldenburger Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte widmet dem trendigen Jahrzehnt jetzt eine Ausstellung. Im Mittelpunkt stehen jedoch nicht Pop-Art-Malerei oder Plakatkunst, sondern die ganze normale Alltagskultur.

Ein Sammelsurium im ersten Raum stimmt in das Jahrzehnt des Umbruchs ein: „Bravo“, Anti-Baby-Pille, eine Platte der Beatles, Legosteine und zahlreiche Illustriertentitel mit Konrad Adenauer, dem Schah von Persien oder Brigitte Bardot. Der Vietnamkrieg, die Studentenbewegung, die sexuelle Befreiung, Rock-Musik und der Wettlauf zum Mond prägten das Lebensgefühl damals. Es war eine Dekade der Veränderungen, weshalb sie aus heutiger Sicht auch gerne romantisch verklärt wird.

„Dabei waren die 60er natürlich nicht romantisch“, sagt Kurator Michael Reinbold. Sie waren bunter, zügelloser als die 50er, das stimmt. Aber vor allem waren sie politischer. Einige Exponate werfen Schlaglichter auf die wichtigsten Ereignisse: eine Berliner Polizeiuniform plus Schlagstock aus den Zeiten der Studentenrevolte, von Demonstranten gebastelte Papiermasken des Schahs und seiner Frau, ein oller Parka, den ein Oldenburger bei jedem Protest-Aufmarsch in Berlin getragen haben will.

Den Soundtrack zu dieser Aufbruchstimmung lieferten mit den Beatles und Rolling Stones die neu entstandene Rock- und Pop-Kultur. Mehrere Original-Instrumente haben die Ausstellungsmacher symbolisch dafür zusammengetragen: eine E-Gitarre von John Lennon, einen Bass, auf dem die Animals ihren legendären Song „House of the Rising Sun“ einspielten, sowie eine einst zertrümmerte und wieder geflickte Gitarre vom The Who-Kopf Pete Townshend.

Auch die Mode wurde lockerer, die Röcke kürzer, die Farben knalliger. Cord und Jeans traten ihren Siegeszug an. Ein Chanel-Kostüm aus den 60ern ist in der Ausstellung genauso zu sehen wie ein Outfit, in dem eine Oldenburgerin damals heiratete: wild gemusterter Mini-Rock mit passender Bluse, die bauchfrei geknotet wurde. Zuhause machten sich derweil orangefarbene Stehlampen, Musiktruhen, Plastikstühle und Sitzsäcke breit. „In den 60er Jahren veränderte sich die ganze Sitzkultur. Man flegelte sich einfach irgendwohin“, sagt Reinbold, der selbst Kind dieser Zeit ist.

Rund 380 Exponate sind in der Ausstellung „Mini, Mofa, Maobibel“ auf 400 Quadratmetern zu sehen. Außerdem werden Ausschnitte aus Film-Klassikern wie „Der Schatz im Silbersee“ und „Zur Sache Schätzchen“ gezeigt - und zur Krönung das Original-Kostüm von Pierre Brice als Winnetou. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben die Kuratoren Reinbold und Siegfried Müller jedoch bewusst nicht. Sie wollen vielmehr einzelne Aspekte hervorheben, die bei den Besuchern Erinnerungen wecken sollen - auch wenn es bei den Jüngeren nur eine Keksdose oder ein Glas ist, das die Großeltern auch mal zu Hause hatten.

Dass das Schwelgen in Nostalgie beim Publikum ankommt, hat das Oldenburger Landesmuseum bereits 2008 bei einer 50er-Jahre-Schau festgestellt. Reinbold erklärt sich das so: „Unsere Welt wird immer schnelllebiger und komplexer. Da erinnert man sich gerne an Zeiten zurück, wo das vermeintlich anders war.“ In spätestens vier Jahren soll es deshalb eine Ausstellung zu den 70er Jahren geben. Und auch die 80er und 90er Jahre haben Reinbold und sein Kollege schon im Blick.

Service:

Ausstellungsdauer: 25. November 2012 bis 3. März 2013; Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr; Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro

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