Mahnungen nach Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“

Frankfurt/Main (dpa) - Das Schicksal der „Frankfurter Rundschau“ schreckt in Deutschland Politiker und Medienbranche auf. Während einige Kommentatoren in den Mittwochsblättern den Verlegern Managementfehler vorwarfen und von hausgemachten Problemen sprachen, sehen andere Branchenexperten in der drohenden Pleite der „FR“ ein Zeichen für eine Strukturkrise der Tageszeitungen.

Der Betriebsrat der „FR“ warnte am Mittwoch, ein Ende der traditionsreichen linksliberalen Tageszeitung könne sich auch auf die „Berliner Zeitung“ auswirken. „Wenn die "FR" eingestellt werden sollte, würde die gemeinsame Mantelproduktion keinen Sinn mehr machen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Marcel Bathis. „Das hätte dann massive Auswirkungen auf die bisherigen Redaktionsgemeinschaften.“ Als Perspektive schloss Bathis für die „FR“ ein Genossenschaftsmodell nach dem Vorbild der „tageszeitung“ (taz) nicht aus. „Die Belegschaft kann sich das durchaus vorstellen.“

Bei der „taz“-Genossenschaft sichern mehr als 12 000 Mitglieder das Überleben des Blattes. Das Geld aus der Genossenschaft fließt vor allem in Redaktion und Herstellung der Zeitung.

Der Mantel der schwer kriselnden „Frankfurter Rundschau“ wird seit 2011 von der MDS-Redaktionsgemeinschaft in Berlin produziert, zusammen mit den überregionalen Seiten der „Berliner Zeitung“. MDS-Sprecher Wolfgang Brüser sagte auf Anfrage, mögliche Auswirkungen auch auf die Berliner Mitarbeiter würden derzeit untersucht. „In den kommenden zwei Wochen werden wir die Belegschaften informieren.“

Der Verlag, der MDS und DDVG gehört, hatte am Dienstag Insolvenzantrag gestellt. Sollte kein geeigneter Käufer oder ein neues Modell für die linksliberale Zeitung gefunden werden, muss der Betrieb spätestens Ende Januar 2013 eingestellt werden. Bis dahin sind Löhne und Gehälter durch das Insolvenzgeld abgesichert.

Insgesamt sind 487 Mitarbeiter betroffen. Sie gaben sich in der Mittwochsausgabe der „FR“ kämpferisch und forderten ihre Leser zur Treue auf. Der Gang in die Insolvenz sei ein Schock für die Leser wie für die Belegschaft, heißt es unter der Überschrift „In eigener Sache“. „Aber es ist nicht das Ende der "Frankfurter Rundschau"!“

Dem widerspricht unter anderem der Erziehungswissenschaftler und Publizist Micha Brumlik. Er macht vor allem das veränderte Leseverhalten verantwortlich für den Niedergang der Zeitung: „Die Hälfte der in Frankfurt Beschäftigten pendeln ein und pendeln aus“, sagte er „Deutschlandradio Kultur“. Die Innenstadt werde dominiert von jüngeren Leuten um die 30, 40, Mitte 40, die im wesentlichen im Bereich der Finanzwirtschaft tätig seien. „Das sind alles keine Leser mehr, die grundsätzlich an den linksliberalen Thesen und Themen der alten Bundesrepublik Deutschland interessiert sind.“

Dagegen sieht der „Tagesspiegel“ aus Berlin die Gründe an anderer Stelle: „Die zu geringe regionale Verankerung konnte den überregionalen Anspruch nicht finanzieren“, heißt es dort in einem Kommentar. Das „Hamburger Abendblatt“ kritisiert: „Das Blatt hat die Meinungsführerschaft in seiner Zielgruppe schon seit langem an die "taz", vor allem aber an die „Süddeutsche Zeitung“ verloren.“ Zudem habe sich der Verlag jahrelang jeglicher Modernisierung verweigert.

Die „Nordwest-Zeitung“ aus Oldenburg spricht von einem speziellen Fall und nennt die „FR“-Krise „vor allem hausgemacht“, während die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ warnt: „Wer für guten Journalismus nicht gutes Geld ausgeben will, liefert sich dem Kommerz und den Suchmaschinen aus, die gierig sind auf unsere Daten.“

Nach Ansicht des medienpolitischen Sprechers der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Börnsen, ist das Schicksal der „FR“ ein „besonders prominentes Beispiel des Zeitungssterbens in unserem Land.“ Er betonte: „Dies ist eine Mahnung an die Politik, abermals nach Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen für Verlags- und Medienhäuser zu suchen“, sagte er in Berlin. Mehrere Hochschulpräsidenten der Rhein-Main-Region warnten zudem vor den Folgen einer „FR“-Pleite für den Medienstandort.

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