Bibeltest auf Herz und Nieren

Hamburg. Es gehört zu den beliebtesten Behauptungen der Christenheit, dass die alten biblischen Geschichten Wahrheiten und Erkenntnisse für alle Zeiten enthalten, also auch für uns heute.

Der Moment, wo sich diese These im Rahmen eines Evangelischen Kirchentags am meisten bewähren muss, sind die Bibelarbeiten zu Beginn jedes Tages.

Schon das Wort Bibelarbeit klingt für Außenstehende arg fromm und aus der Welt gefallen. Dabei kann die Stunde zwischen halb zehn und halb elf durchaus kurzweilig sein. An über 30 Orten in der Stadt dürfen sich in dieser Zeit Menschen unterschiedlichster Herkunft an ein und demselben Text die Zähne ausbeißen und ihn auf seinen Heutigkeitswert überprüfen: Kirchentagsstars wie Margot Käßmann und Fulbert Steffensky, Politiker wie Frank-Walter Steinmeier und Thomas de Maizère, Journalisten wie die TAZ-Chefredakteurin Ines Pohl.

Der Blick über den protestantischen Tellerrand gehört dabei zum Programm. Im Hörsaal A der Hamburger Universität setzt das Zentrum Juden und Christen den jüdischen Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik und den Hamburger Propst Johann Hinrich Claussen an einen Tisch, um sich dem Gleichnis vom Richter und der Witwe im Dialog aus jüdischer und christlicher Sicht zu nähern. Und es ist nicht an den Haaren herbeigezogen, wenn die beiden am Ende beim NSU-Prozess und dem schwindenden Vertrauen in den Rechtsstaat landen.

Eine Stunde Bibeltest auf Herz und Nieren, da braucht das Hirn Entlastung. Die Bibelarbeit wird unterbrochen von Liedern des Frankfurter Sängers und Gitarristen Daniel Kempin. Der kehrte als junger Mann zum Glauben seiner Vorfahren zurück, dem Judentum.

Und sein leidenschaftlicher Gesang ist Beweis genug, dass die alten Geschichten nicht nur Quelle von Erkenntnissen sein können, sondern auch eines ungeheuren Kulturschatzes.

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