Kirchentags-Blog: Der Fettnäpfchen-Vermeider

Hamburg. Selbstironie kommt gut an beim Kirchentagspublikum. "Stellen Sie sich vor, ich hätte das gesagt." Trocken kommentiert SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den flapsigen Ausrutscher des Kommentators, in Zypern würden ja nur Russen ihr Geld verlieren.

Die nächste Fettnäpfchen-Diskussion wäre ihm sicher gewesen.

Es ist der Tag der Kontrahenten. Vormittags Merkel. Nachmittags Steinbrück. Der serviert dem Publikum allerdings schwere Kost. Bankenregulierung und Spekulantengeschäfte sind nicht gerade die Themen, in denen der durchschnittliche Kirchentagsbesucher besonders sattelfest wäre. Aber auf vielen Ebenen befasst sich der Kirchentag mit den wirtschaftlichen Hintergründen der Finanzkrise und ihren Folgen.

"Gestalten statt Spekulieren - soziale Markwirtschaft im Griff der Finanzmärkte", das Podium verzichtet diesmal auf jeden biblischen Bezug. So kann Kirchentag auch sein: knochentrocken politisch.

Im Kreis eines Genossenschafts- und eines Sparkassenbankers sowie des grünen Europapolitikers Sven Giegold macht Steinbrück seine Sache gut. Er vermittelt routinierte Sachkenntnis, bleibt differenziert, vermeidet plumpen Wahlkampf. Denn das mag das notorisch kritische Publikum gar nicht.

Zumal in der Runde weitgehender Konsens herrscht: Normale Einleger dürfen nicht in Mithaftung für riskantes Investmentbanking genommen werden. Die Spekulation mit Rohstoffen gehört verboten. Und wenn bei Banken was schiefgeht, "muss die Treppe von oben nach unten gekehrt werden", wie Steinbrück sagt: Zunächst die Aktionäre, dann andere Kapitalgeber, dann die großen Sparer und erst an der vierten Stelle der europäische Rettungsschirm (und damit der Steuerzahler) sollen einspringen.

Ob das reicht, um alle Bankenauswüchse wirklich in den Griff zu kriegen? Für Steinbrück sind computergesteuerte Sekundengeschäfte die große Herausforderung der Zukunft. "Der Hochfrequenzhandel verselbstständigt sich gegenüber menschlichen Entscheidungen." Lehren aus den Zusammenbrüchen der Vergangenheit sehen anders aus.

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