Topquote: Sie ist erst einmal in Stein gemeißelt

Berlin (dpa) - Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat auch dem guten alten Medium Fernsehen zu einer historischen Bestleistung verholfen.

Topquote: Sie ist erst einmal in Stein gemeißelt
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34,65 Millionen Zuschauer jubelten beim 1:0-Finalsieg bei der WM in Brasilien vor den Bildschirmen mit, nicht eingerechnet diejenigen, die trotz des bundesweit weitgehend verregneten Sonntagabends beim Public Viewing auf öffentlichen Plätzen und Fanmeilen standen und diejenigen, die in Gaststätten mitfieberten.

Ob dieser Wert jemals überboten werden kann? Darüber streiten nun auch die Experten, denn angesichts neuer Nutzungsmöglichkeiten auf mobilen Geräten ist das klassische Fernsehen mit seinem Monitor im Wohnzimmer auf dem Rückzug. Bei Spitzenereignissen wie in Brasilien kämpft sich das analoge Fernsehen aber immer wieder nach vorn. Einigkeit besteht darin, dass nur die Nationalmannschaft imstande ist, ihren Rekord erneut zu brechen,

„Bei so einem Ereignis wie dem Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft zeigt das Fernsehen seine Kraft, aus einem Ereignis ein Erlebnis zu machen“, sagte der Medienexperte Bernd Gäbler, ehemaliger Leiter des Grimme-Instituts am Montag. „Es dient nicht nur der Zerstreuung der Menschen, sondern auch der Versammlung. Auf welchen Kanälen das Live-Bewegtbild dabei ausgespielt wird, ist letztlich egal.“ Die „reinen“ TV-Quoten werden seiner Ansicht nach aber nie wieder so hoch sein. Wohl aber würden die Nutzungszahlen eines „gemischten Medienensembles aus TV und Internet“ weiter zunehmen.

Dass das Spiel gleichzeitig im Netz eine große Rolle spielte, beweisen auch hier die Zahlen: Der Kurznachrichtendienst Twitter verbuchte mit 618 725 Tweets pro Minute zum Abpfiff den höchsten Wert seiner Geschichte. Facebook verzeichnete mit 280 Millionen Interaktionen (Posts, Kommentare und „Gefällt mir“-Angaben) während des Spiels die höchsten Nutzungszahlen bei einem einzelnen Sportereignis seit Bestehen der Plattform.

Um im TV noch mal die Kraft wie am Sonntag zu erreichen, müsste die deutsche Elf beim nächsten WM-Turnier in Russland wieder mindestens bis zum Halbfinale gelangen. „Es müssten dann aber viele Kriterien zusammenspielen“, sagte Stefan Geese von der ARD-Medienforschung am Montag. Dazu gehörten neben sportlicher Attraktivität auch schlechtes Wetter, damit die Fans zu Hause sitzen. Auch hänge einiges an der Gesamtbevölkerungszahl und an der Zuwanderung. Bisher werden Nicht-EU-Staatsbürger in Deutschland (unter denen zum Beispiel viele Türken sind) bei der Messung nicht berücksichtigt.

Zufrieden zeigte sich die Werbewirtschaft mit dem Verlauf des Turniers. „Die WM und jetzt auch der Titel flankieren den Werbeaufschwung, auf den wir seit zwei Jahren warten“, sagte Manfred Parteina, Hauptgeschäftsführer des Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), am Montag. „Das Fußballereignis hat Sondereffekte ausgelöst: vom Bäcker, der WM-Brötchen backt und inseriert bis zu den Werbespots der Sportartikelhersteller.“

Ob der Titelgewinn und die damit verbundene Dramaturgie den kreativen Köpfen im deutschen Fernsehen Ansporn für neue Ideen verleihen kann, ist aus Gäblers Sicht zu bezweifeln. „An den Rekordquoten zur Fußball-Weltmeisterschaft sieht man vor allem, dass das Fernsehen dann stark und mächtig ist, wenn es über das Fernsehen selbst hinausweist“, sagte er. „Darum sind direkte Lehren - etwa für Fernsehshows - nur schwer zu ziehen. Nimmt man das Fernsehen aber als eine normale Industrie, dann ist auffällig, dass hier die Kosten für Forschung und Entwicklung geradezu katastrophal niedrig sind. Nachhaltigkeit sieht anders aus.“

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