Zehn Jahre „Philosophisches Quartett“

Berlin (dpa) - „Besitzer von Meinungsschallplatten“ lade man nicht ein, für die gebe es genug andere Sendeplätze. Das sagte Peter Sloterdijk vor zehn Jahren, kurz bevor der Philosophie-Professor zum Fernsehmoderator wurde und mit der ZDF-Sendung „Das Philosophische Quartett“ begann.

Seit der Auftaktshow am 20. Januar 2002 hat der inzwischen 64 Jahre alte Hochschulrektor aus Karlsruhe zusammen mit seinem 67-jährigen Denker-Kollegen Rüdiger Safranski 61 Ausgaben absolviert. Jedes Jahr strahlte das ZDF sechs, im ersten Jahr sogar sieben Sendungen aus. Zum zehnten Jahrestag sagt Sloterdijk in einem dpa-Interview: „Wir sind immer auf der Suche nach Personen, durch die der freie Geist redet und nicht nur der Funktionsträger.“

„"Das Philosophische Quartett" soll eine Art Erster Hilfe des Denkens sein“, beschreibt die Produktionsfirma FTS Media ihren weisen TV-Talk. „Es soll Zusammenhänge von Bekanntem und Unbekanntem ein- und durchsichtig machen, Themen der Tages-, Wochen- oder Monatsaktualität in die Diskussion aufnehmen und sie auf ihren philosophisch und gesellschaftlich relevanten Gehalt hin abklopfen.“ FTS-Geschäftsführer Thomas Schröder sagt in Anlehnung an ein Bonmot von Sloterdijk: „Das Denken selbst soll auf der Couch mit in der Runde sitzen - im Studio und natürlich auch bei den TV-Zuschauern.“

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 waren gerade vier Monate her, als „Das Philosophische Quartett“ zum ersten Mal zusammenfand und die erste Gesprächsrunde dieser Art über den Bildschirm flimmerte. Mit dem Extrembergsteiger Reinhold Messner und dem Theologen Friedrich Schorlemmer sprachen die beiden Denker Sloterdijk („Kritik der zynischen Vernunft“, „Du mußt dein Leben ändern“) und Safranski („Friedrich Schiller oder die Erfindung des Deutschen Idealismus“) über ein passendes Thema: „Angst - Warum es keine Sicherheit gibt“. Bis heute ist die Premierensendung mit gut 800 000 Zuschauern nach ZDF-Angaben die meistgeschaute Ausgabe.

Ein Höhepunkt in der Quotenstatistik ist mit 690 000 Zuschauern außerdem die Folge „Wie viel Wert haben unsere Werte?“ vom 9. April 2006, in der der Journalist Jens Bisky („Süddeutsche Zeitung“) und der Politikwissenschaftler Arnulf Baring als Gäste mitdiskutierten.

Vor dem Start im Januar 2002 gab der damalige ZDF-Kulturchef Hans Helmut Hillrichs die Parole aus, mit 500 000 Zuschauern sei man bei der neuen Gesprächssendung am späten Sonntagabend schon zufrieden. Man baue beispielsweise auf die Treue der Zuschauerschaft der Sendung „Das Literarische Quartett“. Die legendäre Literaturrunde mit Marcel Reich-Ranicki war am 14. Dezember 2001 zum letzten Mal gelaufen.

Zufrieden zieht eine ZDF-Sprecherin nach zehn Jahren Bilanz: „In den einzelnen Jahren erzielte "Das Philosophische Quartett" durchschnittliche Sehbeteiligungen zwischen 0,39 und 0,49 Millionen Zuschauern, die Marktanteile erreichten im Jahresdurchschnitt bis zu 6,3 Prozent.“

Viele Feuilletons lieben den tiefgründigen Talk. So schrieb zum Beispiel die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 26. November 2011: „Man merkt Safranski und Sloterdijk das Vergnügen an der geschliffenen Rede an, doch konkurrieren sie nie um den gelungensten Beitrag. Hier kippt Bildung nicht in Angeberei.“ Und weiter: „Der schöne Nebeneffekt: Sloterdijks (der zugegebenermaßen ab und an ins Mäandern verfällt) und Safranskis Präzision färbt auf die Gäste ab.“

Apropos Gäste: Auch wenn die Sendung nach eigener Vorgabe nicht auf die üblichen Talkshow-Nomaden setzt, so gibt es doch einige Gäste, die wiederkehren. Mindestens zweimal waren beispielsweise die Schriftstellerinnen Juli Zeh und Thea Dorn zu Gast oder der Medienwissenschaftler Norbert Bolz sowie der sich selbst gern hörende Ex-Außenminister Joschka Fischer.

Die ersten zehn Sendungen kamen aus der Gläsernen VW-Manufaktur in Dresden. In den Jahren 2003 bis 2010 lieferte die Autostadt Wolfsburg den Rahmen. Im vergangenen Jahr zog die Show nach Berlin. Seit dem 3. April 2011, der Ausgabe mit dem Thema „Sturm der Geschichte - Warum uns Revolutionen überraschen“ (Gäste: Thea Dorn und Herfried Münkler), kamen sechs Sendungen aus dem dortigen Hotel Interconti. Sie boten besonders guten Überblick. Denn: Produziert wird die Philosophie-Talkshow im 14. Stock.

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