Ballettpremiere an der Deutschen Oper am Rhein: Ungarische Tanzfreude

Die neue Spielzeit begann in Düsseldorf mit einer Uraufführung von Martin Schläpfer.

Düsseldorf. Gegen Ende geschieht ein Mord. Junge Kerle bedrohen ein Bauernpaar im Trachtenkostüm mit Knüppeln. In der nächsten Szene werden die Leichen zu Grabe getragen — mit ihnen ein Stück Balkan-Kultur. Dies ist der radikale Höhepunkt in Martin Schläpfers Uraufführung „Ungarische Tänze“ zur gleichnamigen Musik von Johannes Brahms. Er bildet den so schrägen wie virtuosen Schlussakkord von b.13, dem ersten Abend der neuen Spielzeit des Ballett am Rhein.

Erlesener Tanz mal drei: Neben Schläpfer stehen die Balletterneuerer George Balanchine und Hans von Manen auf dem Programm. Damit ist im Zeitraffer ein balletthistorischer Bogen neoklassischer Spielarten geschlagen von der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis in die Gegenwart.

Die „Ungarischen Tänze“ sind eine Überraschung. In nur wenigen Wochen gelang Schläpfer eine kongeniale Umsetzung von Brahms. Er entfesselt eine ungarische Walpurgisnacht. Nichts ist hier konventionell. Marlúcia do Amaral erschrickt mitten im Tanz und gebärdet sich wie irre, um dann wieder ihre Rolle als Primaballerina einzunehmen.

Die fantastischen Tänzer bei der Düsseldorfer Premiere brechen mit allen Regeln der klassischen Schule. Schläpfers choreografische Fantasie scheint der Zeitdruck nur beflügelt zu haben. Schiere Tanzfreude, stets ironisch akzentuiert, reiht sich an Genre-Bilder mit anekdotischem Charakter.

George Balanchines „Concerto barocco“ dagegen kommt ganz ohne Handlung aus, ist sichtbar gemachte Musik. Zu Johann Sebastian Bachs Konzert für zwei Violinen und Orchester in d-Moll schuf der Amerikaner 1940 in New York perfekte Symmetrien für zehn Tänzerinnen in weißen Tuniken und einen Solisten. Ein Werk von ewiger Schönheit, vom Ballett am Rhein technisch makellos getanzt, vor allem aber voller Charme — nicht professioneller Anmut.

Auch der niederländische Hans van Manen lässt abstrakt tanzen und deutet doch eine Geschichte an: intensive Duette mit ständigen Partnerwechseln, ein gespenstisches Szenario und ein inniges Männerduett zum Ausklang. Grenzenlose Begeisterung.

Martin Schläpfer ist derweil nach 2009 zum zweiten Mal mit dem Deutschen Theaterpreis Faust für die beste Choreographie ausgezeichnet worden. Er erhielt den Preis für die Inszenierung „Ein deutsches Requiem“.

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