Autor unter Zeitnot

Martin Suter hat einen Roman über Zeitreisen veröffentlicht und sitzt „aus lauter Ungeduld“ jeden Tag am Schreibtisch.

Zürich. Kein anderer Schweizer Schriftsteller war in den vergangenen 20 Jahren so erfolgreich wie Martin Suter. Der ehemalige Werbetexter veröffentlichte seit 1991 zehn Romane sowie elf Bände mit Kurzgeschichten und Kolumnen — alle wurden Bestseller. Auch sein jüngstes Werk „Die Zeit, die Zeit“, in der ein Sonderling die Zeit zurückdrehen möchte, um den Tod seiner Frau vor 20 Jahren rückgängig zu machen.

Herr Suter, haben Sie heute mehr Zeit als früher für das, was Sie tun wollen?

Martin Suter: Leider nicht allzu viel. Ich scheine notorisch unter Zeitnot zu leiden. Und ich fürchte, es hat mit meiner Organisation zu tun.

Halten Sie Zeitreisen tatsächlich für möglich?

Suter: An das, was man in einem Roman beschreibt, muss man auch ein wenig glauben. Und sei es nur während des Beschreibens.

Spüren Sie an den Reaktionen auf Ihren Roman, dass sich viele Menschen über die Zeit Gedanken machen?

Suter: Ja. Viele Leser sagen mir, dass sie noch lange über das Buch nachgedacht haben. Es hat sich auch ein Schweizer, gemeldet, der eine eigene Theorie über die Nichtexistenz der Zeit hat.

Hat sich Ihr eigener Umgang mit Zeit im Laufe der Jahre verändert?

Suter: Wenn man älter wird, wird man sich der Zeit immer bewusster, weil man immer mehr Vergangenheit und immer weniger Zukunft hat. Aber trotzdem schaffe ich es nicht, wirklich bewusster mit der Zeit umzugehen.

Doch Sie nutzen Ihre Zeit sehr effektiv: Seit 2010 haben Sie ein Drehbuch und vier Romane veröffentlicht: „Der Koch“ zwei „Allmen“-Bände und „Die Zeit, die Zeit“.

Suter: So gewaltig ist das nicht. Der Koch war eigentlich schon im Herbst 2009 fertig. Ich habe also in den vergangenen drei Jahren neben dem Drehbuch — eine Arbeit von vielleicht sechs Wochen — drei Romane von insgesamt etwa 700 Seiten geschrieben. Das sind im Schnitt keine 20 Zeilen pro Tag. Daran überarbeitet man sich nicht.

Wann vergeht Ihre Zeit am schnellsten und langsamsten?

Suter: Wie wohl bei uns allen: am langsamsten beim Warten, am schnellsten beim Altern.

Und beim Schreiben?

Suter: Auch da vergeht sie sehr rasch. Manchmal formuliere ich an einem Satz herum und merke plötzlich, dass darüber schon über eine Stunde vergangen ist.

Folgen Sie einem strengen Zeitplan?

Suter: Wenn ich an einem neuen Roman arbeite, schon. Dann schreibe ich täglich vormittags und nachmittags wie ein Büroangestellter. Nicht weil ich so fleißig, sondern so ungeduldig bin.

Heilt die Zeit denn alle Wunden?

Sutter: Nein, aber sie hilft, dass man mit seinen unverheilten Wunden leben lernt.

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