Buchblogs: Zwischen Hobby und Aushängeschild

Leipzig (dpa) - Sophie Weigand hat schon viel ausprobiert. Banner-Werbung, die Verwertungsgesellschaft VG Wort, Verlinkungen. Geld eingebracht hat der Literaturbloggerin nichts von alledem. Dafür sind die Zugriffszahlen auf ihr Blog „Literaturen“ zu gering.

Buchblogs: Zwischen Hobby und Aushängeschild
Foto: dpa

„Die Szene ist zu klein„, sagt die 25-Jährige. Die Blogger läsen und kommentierten sich häufig vor allem gegenseitig. Für die Verlage sind Blogger in den vergangenen Jahre dennoch wichtiger geworden. Und auch die Leipziger Buchmesse hat den freien Kritikern in diesem Jahr so viel Aufmerksamkeit wie nie noch gewidmet und eine Bloggerlounge eingerichtet.

Seit 2011 bespricht Weigand auf ihrer Webseite Bücher. Romane, Krimis, Sachbücher, Graphic Novels - was ihr in die Hände fällt und sie interessiert. Die Auswahl treffe sie „frei Schnauze“. Hinzugekommen sind mit der Zeit Autoren-Interviews und Beiträge über Fragen, die den Literaturbetrieb bewegen. Wie eben jene Frage nach dem Geldverdienen mit Buchblogs.

Weigand selbst ist mittlerweile ernüchtert: „Ich werde damit niemals Geld verdienen.“ Eine direkte Geldquelle mag ein Literaturblog nicht sein, es kann aber als Visitenkarte dienen. Karla Paul führte für ihr Blog „Buchkolumne“ ein Interview mit der Geschäftsführerin der Plattform Lovelybooks. Am Ende des Gesprächs hatte Paul einen Job als Redaktionsleiterin des Literaturnetzwerks. Heute arbeitet sie für den Verlag Hoffmann und Campe. Daneben gibt sie in der ARD Buchtipps, moderiert Lesungen und leitet Seminare. „Ich vermarkte mich über mein Blog“, sagt Paul.

Ähnliches hat Tobias Nazemi im Kopf, der sein Blog „Buchrevier“ bisher nur als Hobby betreibt. Der 49-Jährige verdient sein Geld als PR-Berater. Sollte über sein Blog etwa ein Verlag auf ihn aufmerksam werden und ihm einen Auftrag erteilen, würde er sich darüber aber freuen.

Richtig professionell gingen bisher wenige Literaturblogger vor, sagt Paul. „Die machen sich viel zu klein.“ Auch wenn viele sich selbst nicht so wahrnähmen: Natürlich seien Buchblogs eine Konkurrenz für das klassische Feuilleton, sagt Paul. Sie ist davon überzeugt, dass die persönliche Note der Blogs diese immer beliebter machen wird. Sie selbst liest Rezensionen fast nur noch auf Blogs. „Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal eine Zeitungsbesprechung gelesen habe. Das ist mir nicht leidenschaftlich genug.“

Ein Blogger hat tatsächlich Freiheiten, die eine Kulturredaktion selten hat. Es ist sein Blog. Sein Geschmack. Sein Stil. Sein Tempo. Er füllt seine Seiten, wie es ihm zeitlich passt. Wenn Weigand will, dann bespricht sie statt einer Neuerscheinung einen Klassiker wie Oscar Wildes „Bunbury“. Außerdem könnten Blogger mit einer lockeren, weniger hochtrabenden Sprache andere Leser erreichen als Zeitungen, meint Weigand. Ein Blogeintrag von Nazemi endet auch mal mit einem Zwinkersmiley. „Ich schreibe auf, was ich beim Lesen empfunden habe. Dabei schweife ich auch ab“, sagt er. Das führt dann etwa zu der kurzen Überlegung, ob Jan Wagners „Regentonnenvariationen“ als erbaulich-verdauliche Klolektüre dienen könnten.

„Blogger haben für uns eine große Bedeutung“, sagt Irmi Keis, Pressereferentin des Heyne-Verlags. Sie seien das, was früher die Freundin war, auf deren Empfehlungen man vertrauen kann, weil sie einen ähnlichen Geschmack hat. Außerdem besprächen manche Blogger Titel, die im Feuilleton kaum vorkommen wie etwa Fantasy-Romane. Die Verlagsgruppe Random House, zu der der Heyne-Verlag gehört, betreibt seit März ein eigenes Portal für Blogger, auf dem sie Ansprechpartner finden und Rezensionsexemplare anfordern können.

Für die Bloggerlounge auf der Buchmesse hätten sich mehrere Hundert Blogger akkreditiert, sagt Projektleiter Sebastian Matkey. Außerdem hat eine Jury 15 Blogger ausgewählt, jeweils eines der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Werke vorab zu rezensieren. „Wir haben dadurch mehr Aufmerksamkeit bekommen“, sagt Nazemi. „Die Verlage betrachten uns mittlerweile fast wie normale Feuilleton-Journalisten.“ Es sei ein Schritt weg vom Image der „dilettantischen Hausfrauenkritik“, sagt Weigand.

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