Büchner-Preis für Felicitas Hoppe: Der Musenkuss ist ein Mythos

Felicitas Hoppe, die eigensinnige und fantasievolle Schriftstellerin, erhält heute den renommierten Georg-Büchner-Preis.

Berlin. Felicitas Hoppes Lieblingsheld ist Pinocchio — der kleine Holzkerl, der bei jeder Lüge eine lange Nase bekommt.

Wenn es danach ginge, müsste auch Hoppe eine ganz schön lange Nase haben: In ihren Büchern entführt die Schriftstellerin den Leser immer wieder in ein Zwischenreich aus Traum und Realität, Wunsch und Wirklichkeit. Und oft genug schwindelt sie ihm auch einfach etwas vor. Heute erhält die 51-jährige Autorin aus Berlin in Darmstadt den renommierten Georg-Büchner-Preis.

Eine „lakonische und lyrische, eigensinnige und uneitle Prosa“ bescheinigt ihr die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. „In einer Zeit, in der das Reden in eigener Sache die Literatur immer mehr dominiert, umkreist Felicitas Hoppes sensible und bei allem Sinn für Komik melancholische Erzählkunst das Geheimnis der Identität“, so die Jury.

Ihr selbst sei der Preis eine große Freude, aber auch eine Last, sagte die schon vielfach Ausgezeichnete nach der Bekanntgabe. „Es gibt ja Literaturpreise wie Sand am Meer. Aber dieser ist doch etwas sehr Besonderes.“

Dass Hoppe auch noch aus dem Rattenfänger-Städtchen Hameln stammt, passt gut ins Bild. Schon mit ihrem ersten Erzählband „Picknick der Friseure“ (1996) bewies sie mitreißende Fantasie.

Für die komischen und bisweilen bitterbösen Geschichten erhielt sie auf Anhieb den „aspekte“-Literaturpreis. Von dem Preisgeld machte sie an Bord eines Containerschiffs eine Reise um die Welt, von der sie in ihrem ersten Roman „Pigafetta“ (1999) erzählt.

Später folgen der Ritterroman „Paradiese, Übersee“, der Prosaband „Verbrecher und Versager“ und der Roman „Johanna“. Ihren bisher größten Erfolg hatte die Autorin mit ihrem jüngsten Buch „Hoppe“. Darin entwirft sie so kurzweilig wie ausufernd eine Wunschbiografie, die sie durch die halbe Welt bis in ihr Traumland Kanada treibt — wo die Autorin aber noch nie gewesen ist.

So skurril ihre Geschichten oft sind — die Anstöße dazu findet sie im wirklichen Leben. „Ich glaube, der Musenkuss ist ein Mythos“, sagt Hoppe. „Wenn man aufmerksam ist, begegnen einem unheimlich viele Dinge, aus denen man mit Hilfe der Fantasie etwas Neues macht.“

Als drittes von fünf Kindern geboren, hatte sie früh Spaß am Fabulieren. Mit sieben schrieb sie ihre erste Geschichte über einen Hasen. Nach dem Studium (Literatur und Religionswissenschaft) in Tübingen, den USA, Rom und Berlin arbeitete Hoppe zunächst als Journalistin und Sprachlehrerin beim Goethe-Institut, ehe sie sich ganz aufs Schreiben verlegte. Daneben übernahm sie zahlreiche Gastdozenturen an deutschen und amerikanischen Universitäten.

Seit 26 Jahren lebt Hoppe in Berlin, nun in einem Haus in Mitte, in dem einst der Büchner-Preisträger Erich Kästner wohnte. „Berlin ist mein Basisort, obwohl ich für die Stadt keine Liebe oder Leidenschaft spüre“, sagt die Vielgereiste. Dass sie allein lebt, hat sich „einfach so“ ergeben. „Ich bin ja keine Nonne, die für die Kunst zölibatär leben will.“

Für die Zukunft hat Hoppe schon drei, vier neue Geschichten in der „Gärungsschleife“. Aber bis Mitte 2013 ist sie mit Lesereisen und Vorlesungen fast ausgebucht. Mit dem Büchner-Preisgeld von 50 000 Euro hat sie jetzt immerhin ein finanzielles Polster. „Mein Traum ist ja immer noch eine Villa am Genfer See, aber dafür reicht’s dann doch nicht.“

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