Christa Wolf: Eine zerrissene Kämpferin

Christa Wolf, eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart und moralische Instanz der DDR, ist gestorben.

Berlin. Ob „Der geteilte Himmel“, „Kindheitsmuster“ oder „Medea“ — Christa Wolf gehörte zu den großen Autorinnen des 20. Jahrhundert. Wie wohl wenige Literaten hielt sie der deutschen Geschichte einen Spiegel vor.

„Frauen und Frieden“ — auf diese Formel haben einige Kritiker ihr literarisches Werk und gesellschaftliches Engagement gebracht. Die „weltgeschichtliche Niederlage der Frau“ („Kassandra“) war ebenso ihr Thema wie die deutsche Zerrissenheit. „Der geteilte Himmel“ (1963) über die deutsche Teilung war eines der in der DDR und begründete ihren Erfolg in der Bundesrepublik.

Für die Menschen in der DDR galt sie über Jahrzehnte als moralische Instanz — trotz der Brüche in ihrer Biografie. Sie kämpfte für den Sozialismus, trat 1949 in die SED ein und erst 1989 aus, von 1955 bis 1977 war sie im Vorstand des Schriftstellerverbands.

Aber auf Parteilinie ließ sie sich einschwören. Die Nationalpreisträgerin trat auch als Systemkritikerin hervor, unterstützte Bürgerrechtler und protestierte 1976 gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann.

Ein „wunder, dunkler Punkt“ (Wolf) war ihre Tätigkeit für die Stasi von 1959 bis 1962 unter dem Decknamen „IM Margarethe“, später wurde sie selbst bespitzelt. Als die IM-Tätigkeit Anfang der 90er Jahre bekannt wurde, hatte sie das verdrängt. „Ich fühlte mich doch völlig unbelastet. (. . .) Das hatte ich vergessen können?“, schreibt sie glaubhaft in „Stadt der Engel“ (2010).

Die DDR war Christa Wolfs schwierige Heimat. Sie fühlte sich zunehmend entfremdet („Kein Ort. Nirgends“, 1979). Doch immer wieder hat sie sich geweigert, das Land zu verlassen. Es gab für sie keine Alternative zum sozialistischen Staat, noch nach der Wende hoffte sie auf Reformen statt auf Wiedervereinigung.

Gestern ist Christa Wolf nach langer Krankheit in Berlin gestorben, wie der Suhrkamp Verlag mitteilte. Ihr Mann Gerhard Wolf sei bei ihr gewesen.

Bundespräsident Christian Wulff erklärte: „Sie hat auf fast altmodische und doch immer aktuelle Weise an das Gute geglaubt und an die Verbesserungsfähigkeit des Menschen.“

Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der Wolf lange ablehnend gegenüber gestanden hatte („weit überbewertet“), würdigte sie am Donnerstag als „mutige Schriftstellerin, die die zentralen Fragen ihrer Zeit und ihrer Problematik ausdrücklich behandelt hat.“

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