Denis Scheck: „Missionare ekeln mich an“

Der Literaturkritiker Denis Scheck über öde Büchersendungen (die der anderen) und die Parallelen von Büchern und Speisen.

Köln. Die Büchershow „Druckfrisch“ mit Denis Scheck gehört zu den wenigen Literatursendungen im Fernsehen, die Spaß machen: Wenn der 46-jährige Literaturkritiker Bestseller vorstellt, dann spricht er Klartext, und manche Schwarte landet im Papierkorb. Neben mutigen Urteilen und triefender Ironie lebt die Sendung von aufwendigen Reportagen über Schriftsteller.

Herr Scheck, seit 2003 moderieren Sie das ARD-Büchermagazin „Druckfrisch“. In dieser Zeit sind diverse andere Literatursendungen eingestellt worden, zuletzt „Die Vorleser“ im ZDF. Macht Ihnen die Lage der Literaturkritik im Fernsehen Sorgen?

Scheck: Nein — mein tägliches Sorgenbudget ist leider durch so triviale Fragen wie „Habe ich Lungenkrebs?“, „Hält meine Partnerschaft?“ oder „Wie kündigt sich ein Konkurs an?“ schon so überzogen, dass für wirklich wichtige Sorgen wie die um die Lage der Literaturkritik im Fernsehen rein gar nichts übrig bleibt.

Hat es Sie überrascht, dass „Die Vorleser“ mit Amelie Fried und Ijoma Mangold nach nur wenigen Ausgaben eingestellt wurde?

Scheck: Ja. Wenn man nun alles gleich dichtmachen wollte, was öde, vorhersehbar und langweilig ist, müsste man mehrere Sender komplett abschalten.

Sie nutzen das Medium Fernsehen als große Spielwiese, um Literatur frisch und frech zu präsentieren. Finden Sie klassische Büchersendungen langweilig, in denen Experten tiefschürfend über Neuerscheinungen reden?

Scheck: Ich versuche seit Jahren mein Bestes, in der klassischen Büchersendung „Druckfrisch“ tiefschürfend über Bücher zu reden. Das mit der Langeweile kriege ich noch irgendwann hin.

Neulich haben Sie sich als eine Art Stiftung Warentest für Bücher bezeichnet. Wann gibt es bei Ihnen ein „Ungenügend“ für ein Werk?

Scheck: Wenn es den Maßstäben, die es selbst aufstellt, nicht genügt. Wenn es kein ästhetisches Risiko eingeht, sondern gemeinsame Sache mit dem Hässlichen, Verblödenden, Talmihaften und Seichten macht.

Wollen Sie mit Ihrer Büchershow auch neue Leser rekrutieren? Haben Sie einen gewissen missionarischen Eifer?

Scheck: Missionare ekeln mich an. Wenn die Welt zur Zeit eines sicher nicht braucht, dann weitere selbst ernannte Gottgesandte im Besitz irgendwelcher alleinseligmachender Wahrheiten. In meinem Leben spielen Bücher eine zentrale Rolle. Mehr als gelegentlich aufblitzen zu lassen, warum das so ist, kann man in einer halbstündigen TV-Sendung kaum.

Neben dem Lesen lieben Sie das Kochen. Mit Eva Gritzmann haben Sie das Buch „Sie & Er“ über den Unterschied zwischen den Geschlechtern beim Essen veröffentlicht. Wie viele Kochbücher stehen bei Ihnen im Regal?

Scheck: Ein paar hundert werden es sein — jedenfalls zu viele, wenn es nach meiner Co-Autorin geht. Männer essen nicht nur doppelt so viel Fleisch wie Frauen und trinken viermal so viel Alkohol, sie haben auch meist zehnmal so viele Kochbücher. Was nicht heißt, dass sie besser kochen. Allerdings glauben wir fest, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Lesen und Kochen. Die Aufmerksamkeit, mit der man einem Text begegnet, bringt man idealerweise auch für das „Lesen“ eines Tellers auf.

Lesen Sie auch beim Essen? Immerhin bewältigen Sie jährlich mehr als 150 Bücher, da muss man sich ranhalten.

Scheck: Anders als Hunde sind wir Menschen in der Lage, eine Mahlzeit gemeinsam zu genießen. Warum sollte ich mich um das Vergnügen einer angenehmen Tischgesellschaft bringen?

Haben Sie keine Angst, als Autor nun selber zur Zielscheibe von Literaturkritikern zu werden?

Scheck: Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn irgendwo in Deutschland nicht Neid und Missgunst, sondern die Lust am hemmungslosen Lob von Kollegen zu Hause ist, dann doch im Feuilleton.

Lesen Sie Bücher eigentlich auch als digitales E-Book?

Scheck: Nein. Wieso sollte ich?

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