Die Biene Maja lebt schon hundert Sommer

Die kleine Biene mit dem blonden Wuschelkopf ist unangefochtene Heldin der Kultserie. Die Buchvorlage zum Fernseh-Erfolg jedoch ist umstritten. Auf den Spuren des Autors Waldemar Bonsels.

Düsseldorf. Maja ist eine kleine, neugierige, unternehmungslustige Biene. Sie entflieht ihrem Volk und den starren Regeln des Bienenstaates, um die Welt auf eigene Faust zu entdecken. So hat sie Generationen junger Fernsehzuschauer geprägt. Für Millionen Menschen sind Maja und ihr bester Freund Willi ein Stück Kindheitsgeschichte.

Gebannt saßen sie vor dem Bildschirm, wenn Karel Gott anstimmte: „In einem unbekannten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit . . .“, wenn Maja und Willi den lustigen Grashüpfer Flip aus den Fängen einer fleischfressenden Pflanze befreiten, sich gegen die hinterhältige Spinne Thekla oder eine ganze Hornissen-Armee zur Wehr setzen mussten.

Vor der Zeichentrickserie (eine deutsch-österreichisch-japanische Produktion aus den Jahren 1975 bis 1979) gab es bereits einen Biene-Maja-Stummfilm und zwei Hörspiele. Die Geschichte der Biene aber geht noch viel weiter zurück. Sie begann vor mehr als 100 Jahren an der Freisinger Straße 28 in Schleißheim bei München. Dort schrieb der Autor Waldemar Bonsels für seine beiden Söhne aus erster Ehe das Buch „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“. Im Spätsommer 1912 kam es auf den Markt.

Eine normale Honigbiene lebt selten länger als einen Sommer — Maja hat inzwischen schon 100 Sommer geschafft. „Ein Nationalschatz. Ein über Generationen gehender Erfolg, der in den Herzen bleibt“, sagt Sänger Karel Gott.

Das Buch (in dem zum Beispiel Willi gar nicht vorkommt) wurde nach einigen Anlaufschwierigkeiten im frühen 20. Jahrhundert zum Bestseller — und Autor Waldemar Bonsels zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller seiner Zeit. Der gelernte Kaufmann, der im Ersten Weltkrieg als Kriegsberichterstatter arbeitete, profitierte vor allem vom Feldbuchhandel. Der brachte den Kinderroman unter die Soldaten. Als der Erste Weltkrieg endete, hatte Bonsels 90 000 Exemplare verkauft und war ein vermögender Mann.

1954, zwei Jahre nach seinem Tod, knackte die Zahl der gedruckten „Maja“-Bücher die Millionen-Marke.

Am 31. Juli jährt sich Bonsels Todestag zum 60. Mal. Wissenschaftler zeichnen inzwischen ein alles andere als freundliches Bild des Schriftstellers: Bonsels soll Antisemit und der Ideologie des Nazi-Regimes weitaus verbundener gewesen sein, als er es nach dem Zweiten Weltkrieg eingestehen wollte.

„Er hat nicht erkannt, dass er als geistiger Brandstifter auch beteiligt war“, sagt der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Er forscht seit Jahren zu Bonsels und dessen Werk und hat jetzt das Buch „Waldemar Bonsels — Karrierestrategien eines Erfolgsschriftstellers“ herausgegeben.

Einen Beitrag darin hat der Naturwissenschaftler Karl Daumer verfasst. Er geht der Biene Maja „aus biowissenschaftlicher Sicht“ auf den Grund. Sein Ergebnis: Bonsels hält sich zwar in weiten Teilen an die biologischen Erkenntnisse seiner Zeit — diese werden aber immer wieder ideologisch überlagert.

Vor allem mit dem großen Kampf zwischen Bienen und Hornissen hat Daumer Schwierigkeiten. Bonsels verherrliche den Bienenstaat „im Trend der wilhelminischen Zeit monarchisch-imperialistisch, national-martialisch, ja sogar mit einer sozialdarwinistisch getönten, rassistischen Tendenz“. Daumer hält das für gefährlich, weil Kinder nicht zwischen „harmloser Biologie“ und „verführerischer Ideologie“ unterscheiden könnten. Seine These: Kinder sollten „Die Abenteuer der Biene Maja“ nicht ohne ihre Eltern lesen.

Auf solche Ideen ist bei der kultigen TV-Serie, deren erste Episode im Jahr 1976 ausgestrahlt wurde, noch niemand gekommen. Im Gegenteil. Das ZDF hat 78 weitere Folgen der Erfolgsserie produzieren lassen — in 3D. Die neuen Abenteuer von Maja, Willi, Flip und Co. sollen voraussichtlich vom kommenden Jahr an zu sehen sein.

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