Es war einmal . . . — 200 Jahre Grimms Märchen

Die Geschichtensammlung der Brüder Grimm ist weltberühmt. Vor 200 Jahren erschien der erste Band ihrer „Kinder- und Hausmärchen“. Eine Spurensuche zum Jubiläum.

Düsseldorf. „Es war einmal . . .“: Wohl jedes Kind freut sich auf die Geschichte, die diesem verheißungsvollen Beginn folgt. Ob Rotkäppchen, Schneewittchen, Aschenputtel, Hänsel und Gretel oder Die Bremer Stadtmusikanten: Die Märchen der Brüder Grimm sind weltbekannt.

Jetzt feiern sie ein stolzes Jubiläum: Am 20. Dezember 1812 erschien die Erstausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“. Die Geschichten wurden inzwischen in mehr als 160 Sprachen übersetzt. Seit 2005 gehört die Erstausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“, die im Brüder-Grimm-Museum in Kassel liegt, zum Weltdokumentenerbe.

Wie kam es dazu? „Märchen sind nichts anderes als alte Geschichten der Menschheit. Jacob und Wilhelm Grimm haben versucht, alles zu sammeln, was auf das germanische Altertum verweist. Und so reichen diese Erzählungen mitunter bis zu den Anfängen unserer Zeitrechnung zurück“, sagt Holger Ehrhardt, Professor an der Universität Kassel. „Beispielsweise finden sich in den Märchen der Brüder Grimm auch Motive altindischer Fabeln aus dem ersten Jahrhundert.“

Die meisten Geschichten haben einen tieferen Sinn. „Menschen haben ihren Kindern wohl schon immer Märchen oder Mythen aus pädagogischen Gründen erzählt“, berichtet Grimm-Forscher Ehrhardt. Für Kinder seien es lehrreiche Geschichten gewesen. „Und oft steckte darin auch eine Erklärung für Erwachsene, zum Beispiel für Naturphänomene wie den Donner. Den musste ja jemand gemacht haben.“

1806 fingen Jacob und Wilhelm Grimm an, Märchen zu sammeln. Allerdings zogen die Brüder dafür keineswegs durchs Land. Die Grimms ließen sich von Menschen aus ihrem Bekanntenkreis Märchen erzählen und schrieben sie auf. Zunächst waren es die Familien Wild und Hassenpflug aus Kassel, für den zweiten Band kamen Erzählungen der Schneidersgattin Dorothea Viehmann hinzu.

Über sie hat Holger Ehrhardt gerade ein Buch veröffentlicht. „Die Grimms haben diese Erzählungen dann verändert, und daraus sind die Grimm’schen Märchen geworden, die rund um den Globus bekannt sind“, sagt der Forscher.

Zunächst jedoch blieb der Erfolg aus. Detailreich beschriebene Grausamkeiten und wissenschaftliche Anmerkungen der Brüder waren nicht gerade förderlich.

Während Jacob seinen Schwerpunkt auf die Sprach-, Politik- und Religionswissenschaften verlagerte, arbeitete Wilhelm die Märchen um und verpasste ihnen den bekannten romantischen Stil. „Das war seine bedeutendste Leistung“, sagt der Leiter des Grimm-Museums in Kassel, Bernhard Lauer.

„Böse Mütter wurden zu bösen Stiefmüttern, nackte Prinzen prächtig gekleidet, und Rapunzels Schwangerschaft blieb für die böse Zauberin wie für den geneigten Leser unentdeckt“, heißt es auf der Internetseite zum Jubiläum, www.grimm2013.de. Das sieht etwa der Schauspieler Ilja Richter (60), gefragt nach Grimms Märchen, durchaus kritisch. Alles, was eine gewisse Zweideutigkeit offenbare, hätten die Brüder entschärft. „Ich nenne nur Rotkäppchen und den bösen Wolf.“ Das sei eine sehr erotische Geschichte. Oder: Der Wolf und die sieben Geißlein. „Eigentlich geht es unentwegt ums Vernaschen“, betont Richter.

Ehrhardt erzählt, der Erfolg der Märchen bei Kindern sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Brüder den Geschichten später Bilder hinzufügten.

Über das gesamte Jahr 2013 wird der Märchen-Geburtstag gefeiert. Denn nicht nur die „Kinder- und Hausmärchen“ bieten einen Anlass. Es jähren sich auch die Todestage von Jacob (20. September) und „Malerbruder“ Ludwig Emil Grimm (4. April) zum 150. Mal.

Doch nicht nur Geschichten gehören zu den Hinterlassenschaften der Grimms. Dass sie auch bedeutende Sprachforscher waren, sei vielen nicht bekannt, sagt Ehrhardt. „Im Vergleich zu Goethe und Schiller haben die Grimms wenig Aufmerksamkeit“, stellt er heraus. Dabei gebühre ihnen auch als Wissenschaftlern Anerkennung. Sie begründeten die Germanistik mit und schrieben das Deutsche Wörterbuch — wenn sie auch nur bis zum Wort „Frucht“ kamen.

Verbunden bleiben aber wird der Name Grimm vor allem mit den Märchen. Knapp die Hälfte der Geschichten beginnt übrigens mit „Es war einmal . . .“.

„Und wenn sie nicht gestorben sind“, dann werden sie auch noch lange Kinderaugen zum Leuchten und Wangen vor Spannung zum Erröten bringen.

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