Georg-Büchner-Preis: Martin Mosebach erhält Büchner-Preis

Literatur: Die Akademie wählt einen Konservativen.

Düsseldorf. Irgendetwas stimmt da nicht. Thomas Steinfeld ("SZ") wehrt schon im Titel den (berechtigten) Verdacht mit schlechtem Gewissen hinweg: "Konservativ? Ach was!" Hubert Spiegel ("FAZ") taucht unter in der schwammig-brackigen Behauptung "Brillanz, die aus der Fülle kommt". Aha. Und in einer Rezension des Mosebach-Romans "Eine lange Nacht" ist zu lesen: "Das Attribut geschmackvoll mit seinem leicht ironischen Beiklang bietet sich zur Charakterisierung dieser sorgsam polierten Prosa unwiderstehlich an."

Dieser sorgsame Sprachpolierer ist der Träger des diesjährigen Georg-Büchner-Preises. Damit fällte die Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt eine dem Preisnamen Hohn sprechende Entscheidung. Kennen die Mitglieder Büchners Schicksal nicht mehr? Haben sie den "Woyzeck" noch in Erinnerung, dieses Drama eines zu Tode erniedrigten Menschen, zu denen ja auch der polizeilich gesuchte Revolutionär Büchner selber zählte? Und dann wird in Mosebachs neuem Roman "Der Mond und das Mädchen" (erscheint am 4. August) die weibliche Figur mit diesen Attributen ausgestattet: "Kindlichkeit, Schmetterlingszartheit, Elfenleichtigkeit, eine leise klingende, feingläserne Zerbrechlichkeit, Silbrigkeit in Stimme und Haar." Lolita, ick höre Dir zirzen. Die Drechselkunst des Stockkonservativen ist 2007 allenfalls noch unappetitlich schmalzaffin.

Nun konnte, wer wollte, mitverfolgen, wie ein künftiger Büchner-Preisträger gezielt aufgebaut und von hier nach dort gereicht wurde, von der "FAZ" und Ulla Berkéwicz mit dem ersten Suhrkamp/Unseld-Preis geadelt, von der "SZ" zur Indien-Pilgerreise entsandt. Sich vorzustellen, dass diesen Preis einst die radikalen Friederike Mayröcker, Alexander Kluge, Wolfgang Hilbig und Wilhelm Genazino erhielten - eine geistige Wonne. Diesen Jahrgang aber - rasch vergessen.

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