Tex Rubinowitz gewinnt Bachmann-Preis

Klagenfurt (dpa) - Der Auftritt des Schriftstellers Rainald Goetz hat lange Zeit das Bild des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs geprägt: 1983 schnitt sich der Autor während seiner Lesung mit einer Rasierklinge in die Stirn und las blutüberströmt weiter.

Tex Rubinowitz gewinnt Bachmann-Preis
Foto: dpa

Für den Erfolg in der berüchtigten „Literaturarena“ im österreichischen Klagenfurt waren Teilnehmer in der Vergangenheit zu drastischen Maßnahmen bereit. Mit Tex Rubinowitz gewann am Sonntag jedoch ein Autor, der sich den Mechanismen des Spektakels weitgehend widersetzte.

Rubinowitz, der in Hannover geboren wurde und in Wien lebt, verweigerte sich zunächst dem Videoporträt, mit dem die Teilnehmer des dreitägigen Wettlesens dem Publikum vorgestellt werden. Anschließend trug er seinen Beitrag am Freitag ziemlich desinteressiert vor. „Scheußlich gelesen“, kommentierte der Juryvorsitzende Burkhard Spinnen.

Auch Rubinowitz' witzig-lakonischer Text selbst schien für den Bachmann-Preis eher ungeeignet. In „Wir waren niemals hier“ beschreibt der Ich-Erzähler eine lang vergangene Beziehung mit einem Mädchen aus Litauen, einem „durch und durch pragmatischen Menschen“, wie es im Text heißt. Sie leckt an Batterien und lernt Koreanisch, er studiert Kunst. Dabei haben humorige Texte in Klagenfurt traditionell eher geringe Chancen. „Eine wilde, schöne und sehr seltene Liebesgeschichte“, begründete die Jury jedoch am Sonntag ihre Wahl.

Der in Sri Lanka geborene und in Berlin lebende Autor Senthuran Varatharajah sorgte ebenfalls für ein Novum in Klagenfurt. Als einziger der 13 Teilnehmer hat er bislang keine einzige literarische Veröffentlichung vorzuweisen - in vergangenen Jahren eine Voraussetzung, um überhaupt am Wettbewerb teilnehmen zu können. Er gewann mit seinem literarischen Facebook-Chat „Vor der Zunahme der Zeichen“ den mit 7500 Euro dotierten 3sat-Preis. Der gerade 30 Jahre alt gewordene Autor werde die deutschsprachige Literatur entscheidend prägen, meinte Jurorin Meike Feßmann.

Für eine weitere Besonderheit im Laufe des Wettbewerbs sorgte Autorin Karen Köhler aus Hamburg. Krankheitsbedingt hatte sie ihre Teilnahme am Wettbewerb kurzfristig abgesagt, ihr Verlag organisierte spontan eine Solidaritätslesung in Klagenfurt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bezeichnete Köhlers Erzählung „Il Comandante“ anschließend als den „besten Text des ersten Vorlesetags“. Einen Preis konnte Köhler den Regeln nach jedoch nicht gewinnen.

Insgesamt zeigten sich einige Beobachter eher enttäuscht vom Niveau der 38. „Tage der deutschsprachigen Literatur“. „Es war kein überragender Jahrgang“, kommentierte beispielsweise die „Neue Zürcher Zeitung“.

Thematisch standen in diesem Jahr vor allem Dauerbrenner wie Drogen, Sex und Tod im Mittelpunkt. Literarische Gegenwartsanalysen präsentierten die Teilnehmer hingegen kaum.

Zum Abschluss der nach der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973) benannten Veranstaltung verkündete schließlich der Juryvorsitzende seinen Abschied. „Niemand darf zur Institution werden“, sagte Spinnen nach 14 Jahren beim Bachmann-Preis. Der Wettbewerb lebe von Abwechslung, Rotation und Vielfalt.

Die Zukunft des 1977 gegründeten Literaturevents scheint zudem vorerst gesichert. Es sei gelungen, die Finanzierung mit Hilfe von Kooperationspartnern auf eine solide Basis zu stellen und langfristig abzusichern, sagte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bereits vor Beginn der Lesungen. Bei der Preisverleihung am Sonntag war er nicht anwesend.

Im vergangenen Jahr hatte es zahlreiche Proteste gegen das drohende Aus der Veranstaltung gegeben. Der österreichische Rundfunk ORF hatte bis dahin die Veranstaltungskosten von rund 350 000 Euro größtenteils getragen.

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