25 Jahre "Starlight Express": Musicalerfolg tief im Westen

1988 feierte die Show ausgerechnet in Bochum Premiere. Die Geschichte ist geblieben, die Musik wurde aber entstaubt.

Bochum. Vor 25 Jahren hätte es wohl niemand für möglich gehalten — auch Steven Rosso nicht. Eine Show, die auf Rollschuhe setzt und sich damit ein Vierteljahrhundert lang auf dem hart umkämpften Musical-Markt behaupten kann? Die Tag für Tag Züge auf die Reise schickt, ohne selbst den Standort zu wechseln? Die 14 Millionen Zuschauer nicht in eine Glitzer-Metropole, sondern nach Bochum lockt?

Rosso schüttelt noch heute lächelnd den Kopf. „Ich dachte, ich bleibe für ein, zwei Jahre. Und dann geht es weiter.“ Weiter ging es in der Tat, allerdings anders als gedacht. Der „Starlight Express“ hat den einstigen Darsteller, der den Sprung zum künstlerischen Leiter schaffte, nicht mehr losgelassen — und nicht nur ihn.

Seit 25 Jahren ist die Dampf-Lok Rusty in den Erste-Klasse-Wagen Pearl verliebt — fast genauso lange hält Rosso dem „Express“ die Treue. Die Mischung aus Gesang, Schauspiel, Akrobatik und schrillen Kostümen sei einzigartig, sagt der Kalifornier, der in Bochum arbeitet („I like the Ruhrgebiet“) und in Düsseldorf („I love the Rhine“) wohnt.

Die rasante Show ist in der Tat den Kinderschuhen entwachsen: Früher gaben lässige Rocker-Typen das Tempo vor, heute ist auch Hip-Hop-Charme zu spüren. Die Choreografie ist im Laufe der Zeit schneller und waghalsiger geworden, die Musik von Star-Komponist Andrew Lloyd Webber wurde neu arrangiert, das Ganze von Licht- und Lasereffekten gekrönt.

„Es wurde immer besser und besser“, betont der künstlerische Leiter. Wer — wie Rosso — menschlichen Lokomotiven unentwegt das Tanzen beibringt und mit immer wieder neuen Darstellern die Choreografie durchgeht, muss Ausdauer haben und mit Herzblut dabei sein, sollte blaue Flecken wegstecken können und vor allem keine Angst vor Rollschuhen haben. Ob er gut skaten kann? Was für eine Frage! „Als ich auf der High School war, waren wir ständig auf der Rollschuh-Bahn. Die Familie meines besten Freundes besaß eine.“

Denn Rossos Erfolg basiert auf Rollschuhen: Als er 1991 mit Mitte 20 nach Bochum kam, stand der US-Amerikaner selbst auf der Bühne — als russischer Schnellzug Turnov. Hinter den Kulissen ging die Karriere im Schnelldurchlauf weiter: erst wurde er Dance Captain, später Assistent der Leitung. Zwar schnupperte er zwischen 1997 und 2001 „fremde“ Musical-Luft. Doch am Ende zog es ihn zurück.

Heute gibt er seine Erfahrung als künstlerischer Leiter weiter: „Man darf keine Angst im Kopf haben“, rät er. Denn noch lange nicht jeder gute Darsteller ist auch ein guter Skater. Wer neu ins Ensemble kommt, erfährt: Die ersten sechs Wochen gehören dem Rollschuh-Training.

26 Darsteller geben bei der Weltmeisterschaft der Lokomotiven Gas, weitere 15 warten hinter der Bühne — falls es einen Unfall gibt, kann im wahrsten Sinne des Wortes ein Ersatz einspringen. Und das zu Klängen, die deutlich moderner geworden sind. „Die Kinder von heute sind Rihanna und Beyoncé gewohnt. Man muss mit der Zeit gehen und die Show alle paar Jahre verändern. Man mus sie am Leben, am Atmen halten.“ Gut sei sie schon immer gewesen, inzwischen sei sie aber auch ein großer Spaß.

„It’s like a big party“ — es ist wie eine große Party — meint Rosso, der dem internationalen Ensemble mit seinem Mix aus Deutsch und Englisch aus dem Herzen sprechen dürfte. „Ich bin dankbar, dass ich mich mit dem Musical weiterentwickeln konnte“, sagt Rosso, der nur zu gut weiß, dass es im Showgeschäft auch Abstellgleise gibt. Einer seiner früheren Kollegen ist heute Makler. Ein anderer Landschaftsgärtner — auf Hawaii.

Und Rosso? Ob er den nimmermüden Lokomotiven auch im Jahr 2038 noch beisteht? Der „Zug-Vater“ lächelt erneut, winkt aber vorsichtig ab: Ob Rusty auch in 25 Jahren noch die schöne Pearl anschmachtet, entscheiden die Zuschauer — und damit der kommerzielle Erfolg.

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