52. Theatertreffen: Politisch brisant und experimentell

Berlin (dpa) - Konfrontation mit der Wirklichkeit: Zum Auftakt des 52. Berliner Theatertreffens stehen am Freitag (1.5.) afrikanische Flüchtlinge gemeinsam mit Schauspielern auf der Bühne.

52. Theatertreffen: Politisch brisant und experimentell
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Die Zuschauer treffen in Elfriede Jelineks Stück „Die Schutzbefohlenen“ auf Menschen, die Krieg, Vertreibung und Entwurzelung erlitten haben - und jetzt auf ein neues Leben in Deutschland hoffen.

Nach der Vorstellung von Nicolas Stemanns am Thalia Theater Hamburg entstandener Inszenierung gibt es sogenannte Tischgespräche. Dabei gehe es um die Frage: Was können wir tun?, sagt Theatertreffen-Chefin Yvonne Büdenhölzer. „Die Zuschauer können hier mit Schauspielern, Flüchtlingen und Experten wie einer Anwältin oder Vertretern des Berliner Flüchtlingsrates ins Gespräch kommen.“

Jelineks Stück „Die Schutzbefohlenen“, in dem sich die Literaturnobelpreisträgerin auf Aischylos' antikes Drama „Die Schutzflehenden“ bezieht, ist eine der zehn zum Theatertreffen eingeladenen Inszenierungen. Sie wurden von der Jury als „bemerkenswerteste“ Arbeiten der Saison für die Leistungsschau der deutschsprachigen Bühnen ausgewählt. Zeitgenössische, teils experimentelle Werke mit politisch brisanten Themen dominieren das Festival. „Es gibt ein neues politisches Theater“, sagt Büdenhölzer. „Die Theatermacher beschäftigen sich derzeit auf der Bühne sehr mit den aktuellen Ereignissen. Dabei werden auch immer wieder die Grenzen aufgezeigt, was Theater überhaupt leisten kann.“

Als einzigen Klassiker zeigt das Theatertreffen (1. bis 17. Mai) Ibsens „John Gabriel Borkman“, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg von Karin Henkel mit Schauspielern wie Josef Ostendorf und Lina Beckmann inszeniert. Neben „Die Schutzbefohlenen“ thematisieren drei weitere Stücke Krieg und Gewalt: „Frank Castorf hat seine Brecht-Inszenierung von „Baal“ auf einen Kriegsschauplatz verlegt, nämlich nach Vietnam und Indochina“, so die Festivalchefin. Castorfs „Baal“ vom Münchner Residenztheater wird in Berlin zum definitiv letzten Mal zu sehen sein, nachdem die Brecht-Erbin die Inszenierung wegen des ihrer Ansicht nach zu massiven Eingriffs in den Originaltext gerichtlich stoppen ließ.

Yael Ronens „Common Ground“ vom Berliner Gorki Theater erzählt von den Folgen des Balkan-Krieges. „Und in Wolfram Lotz' Stück „Die lächerliche Finsternis“ geht es auch um die Kriegsthematik, um Bundeswehreinsätze und einen verrückten Oberstleutnant, der einen Kollegen ermordet hat“, sagt Büdenhölzer. Die Inszenierung kommt vom Burgtheater im Akademietheater Wien.

Aus knapp 380 Inszenierungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wählte die Jury die Theatertreffen-Stücke aus. Großes Schauspielertheater verspricht Samuel Becketts „Warten auf Godot“ (Regie Ivan Panteleev) mit Samuel Finzi und Wolfram Koch - eine Koproduktion vom Deutschen Theater Berlin mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Auch Schauspieler wie Bibiana Beglau, Sebastian Rudolph, Elisabeth Orth, Catrin Striebeck, Barbara Nüsse und Lina Beckmann sind beim Theatertreffen zu sehen.

Ganz ohne Handlung und Figuren kommt Thom Luz' assoziatives Stück „Atlas der abgelegenen Inseln“ (Schauspiel Hannover) nach dem Buch von Judith Schalansky aus. In Susannes Kennedys „Warum läuft Herr R. Amok?“ (Münchner Kammerspiele) nach dem gleichnamigen Fassbinder-Film stecken die Schauspieler unter Latexmasken und bewegen die Lippen zum von Laien eingesprochenen Vollplayback. In „Das Fest“ nach dem dänischen Film von Thomas Vinterberg untersucht das Schauspiel Stuttgart (Regie Christopher Rüping) die „kleinste soziale Einheit, die Familie“, so Theatertreffen-Leiterin Büdenhölzer.

Zwei Gewinner stehen bereits fest. Schauspielerin Corinna Harfouch wird mit dem Berliner Theaterpreis geehrt. Die von der Stiftung Preußische Seehandlung vergebene Auszeichnung ist mit 20 000 Euro dotiert. Der mit 10 000 Euro dotierte 3sat-Preis für eine besonders innovative Leistung geht an Lina Beckmann vom Deutschen Schauspielhaus Hamburg für ihre Rolle in „John Gabriel Borkman“. Juror des Alfred-Kerr-Darstellerpreises für Nachwuchstalente ist der Schauspieler Samuel Finzi. Die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung wird zum Festivalabschluss am 17. Mai vergeben.

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