Aufführung „Die Troerinnen“: Unmenschlicher Humanismus

Karin Beier inszeniert in Köln zum Abschied „Die Troerinnen“.

Köln. Die Siegerjustiz kennt keine Gnade. Der junge Talthybios (Nikolaus Benda) sieht zwar nett aus, doch seine Befehle sind schlicht Kolonialherren-Terror. Die gefangenen Troerinnen scheucht er per Durchsage zum Säckeschleppen, weist ihnen neue Herren zu oder verkündet Hekuba (Julia Wieninger) beschönigend den gewaltsamen Tod ihrer Tochter.

Der trojanische Krieg ist gewonnen, die geschlagenen Frauen der geschleiften Stadt verbergen sich hinter weißen Masken und irren über die mit Erde bedeckte Spielfläche in Köln. Aluminiumstützen markieren die Umrisse eines Würfels, in dem Tisch, Stühle und die Säcke herumstehen (Bühne: Thomas Dreissigacker).

Die gefeierte Intendantin Karin Beier verabschiedet sich vom Kölner Publikum mit „Die Troerinnen des Euripides“ von Jean-Paul Sartre. Zu Beginn wabert das Pathos schwer durch die Halle der Expo I: Die Frauen stoßen wilde Klagelaute aus oder skandieren griechische Verse. Die Kassandra von Rosalba Torres Guerrero stürzt sich mit der Prophezeiung vom Untergang der Griechen in euphorische Tänze.

Das ändert sich mit dem Auftritt von Lina Beckmann als Andromache. Wieder einmal trägt diese phänomenale Schauspielerin letztlich den Abend. Als sie ihren kleinen Sohn den Griechen ausliefern muss, wird dies zu einer tief bewegenden Schmerzensklage, die in eine beißende Abrechnung mit dem Pseudohumanismus der Griechen mündet. Mehr kann man zu Krieg, Kolonialismus und Demokratieexport eigentlich nicht sagen.

Für den Troja-Schlamassel verantwortlich ist, na klar, eine Frau: Helena, die zunächst als männliche Weiblichkeitsfantasie von Stripperin bis Marilyn vorgestellt wird, bevor Angelika Richter alle Register von Anklage über Einschmeichelung bis zum Spitzfindigen zieht, um ihren biederen Ex-Mann Menelaos (Yorck Dippe) rumzukriegen. Sie schafft es.

Hekuba bleibt nur noch, den Göttern ihre völlige Bedeutungslosigkeit zu attestieren — der Terror ist ab sofort menschlich. Eine sehenswerte Aufführung mit kleinen Schwächen.

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