„Ballets Trockadero“: Hier ist jeder Primaballerina

„Paquita“ oder „Schwanensee“: Beim „Ballets Trockadero de Monte Carlo“ tanzen nur Männer — und verbinden klassisches Ballett mit Comedy.

Düsseldorf. Seine Füße zeigt er nicht. In den Ballettschuhen sehen sie zart aus, fast so, als seien sie fürs Schweben gemacht. Ein bisschen ist es ja auch so, wenn Chase Johnsey als „Black Swan“ über die Bühne tanzt. Schwerelos auf der Spitze: 32 Mal um die eigene Achse. Fouettés in dieser Form schaffen nur Hochleistungstänzer — und Männer in der Regel gar nicht.

Bei Johnsey ist das anders: Seit zehn Jahren tanzt und tourt er mit „Les Ballets Trockadero de Monte Carlo“. Bei den Trocks gibt es keine Frauen; 16 Männer gehören zur Gruppe aus New York, die klassisches Ballett mit komödiantischen Einlagen bietet. Jeder von ihnen ist eine Primaballerina. Sie tragen Namen wie Yakatarina Verbosovich oder Giuseppina Zambellini, das Haar im Dutt und die Wimpern im XXL-Format. Im Juli und August gastieren die Männer im Tutu in der Düsseldorfer Rheinoper und der Kölner Philharmonie. Eine Show, die das russische Ballett in seiner klassischen Strenge charmant persifliert, dabei die Sache aber sehr ernst nimmt.

Wer den 27-jährigen Johnsey aus Florida beim Schminken beobachtet, hat keinen Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit, schon bevor man ihn auf der Bühne erlebt. Mit einem Arsenal an Pinseln perfektioniert er das dramatische Make-up: „Das habe ich bei Drag Queens in New York gelernt. Sie haben mich unter ihre Fittiche genommen.“ Er war erst 17, als er sich bei den Trocks vorstellte, und musste beim Alter schummeln. Eigentlich war er zu jung, um mit der Compagnie um die Welt zu reisen. 125 Shows tanzt er seitdem pro Jahr. In Deutschland werden sie nach sechs Jahren Pause mit Klassikern wie „Schwanensee“ und „Paquita“ auftreten.

Sie geben ihrem Publikum kurze Momente, in denen es sich dem Ballett, der Präzision und Grazie hingeben kann, um dann zu erleben, wie ein Schwan plötzlich von der Bühne plumpst oder mit den Armen wie beim Ententanz fuchtelt. Die Kulisse ist puristisch, im Hintergrund gibt es eine dekorativ bemalte Leinwand — sonst nichts. Auch das Licht hält sich zurück. Allein die Tänzer wirken mit ihrem Können. Der Abend ist gut choreographiert, die Stücke kurz, zu Anfang gibt es mehr Komik, zum Schluss vergisst der Zuschauer fast, dass auf der Bühne ein rein männliches Ensemble tanzt. Jeder der 16 Künstler übernimmt mal einen Solo-Part.

Das ist etwas, wofür Johnsey die Trocks liebt. Er ist klein, in einer normalen Compagnie hätte er keine Chance als Mann. Nein, als Travestie möchte er die Show nicht verstanden wissen. Als „erhaben und rein“ empfindet er sie. Zumindest das, was die Zuschauer erleben. Denn hinter den Kulissen ist Ballett eine wahre Schinderei. Auf die Frage, wie lange er noch tanzen will, zieht der schmale junge Mann die Schultern hoch. „Das ist alles sehr schmerzhaft. Und irgendwann kannst und willst du die Schmerzen nicht mehr aushalten.“ Die Spuren seines Knochenjobs könnte man seinen Füßen ablesen. Doch die steckt er lieber in rosa Seide.

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