Ballettwelt trauert um Star-Tänzer Richard Cragun

Karlsruhe/Rio de Janeiro (dpa) - Er war einer der ganz Großen des Tanzes und mitverantwortlich für das Stuttgarter „Ballettwunder“: Richard Cragun. Am Montag starb der Star-Tänzer in Rio de Janeiro.

Nicht nur Weggefährten wie Birgit Keil und Marcia Haydée sind erschüttert.

Die Ballettwelt trauert um die Tanz-Legende Richard Cragun. Der US-Tänzer, der den Ruf Stuttgarts als heimliche Ballett-Hauptstadt mitbegründete, starb im Alter von 67 Jahren an den Folgen einer Aids-Erkrankung in einer Klinik in Rio de Janeiro. Er lebte seit 1999 in Brasilien. Choreograph John Cranko hatte Cragun 1962 ins Stuttgarter Ballett geholt, wo er neben Marcia Haydée und Birgit Keil zu den umjubelten Stars des Ensembles gehörte.

„Mit Richard Cragun verliert das Stuttgarter Ballett eines der wichtigsten Mitglieder seiner Familie und die Tanzwelt einen Giganten seiner Kunst“, sagte der Stuttgarter Ballettintendant Reid Anderson. „Er hat Menschen auf der ganzen Welt mit seinen Vorstellungen hingerissen. Es wurden viele Rollen für ihn kreiert, die bis heute unser Repertoire prägen“, sagte Anderson, für den Cragun auch ein persönliches Vorbild gewesen sei. „Wir werden ihn sehr vermissen. Das Stuttgarter Ballett trauert.“

Auch seine langjährige Tanzpartnerin, die ehemalige Primaballerina Birgit Keil, zeigte sich tief erschüttert. „Er war ein großer Künstler. Sein Tod bedeutet auch einen menschlichen Verlust“, sagte die heutige Ballettdirektorin am Badischen Staatstheater in Karlsruhe der Nachrichtenagentur dpa.

Cragun wurde am 5. Oktober 1944 in Sacramento (Kalifornien) geboren. Der frühere Stepptänzer kam als 17-Jähriger ans Stuttgarter Ballett. Dort erlebte er eine Sternstunde: Cranko hatte die Compagnie gerade übernommen und war auf der Suche nach jungen Talenten. Er fand sie in Marcia Haydée, Birgit Keil, Egon Madsen - und Richard Cragun, der schnell zum Ersten Tänzer aufstieg. „Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes Crankos Geschöpf“, sagte Cragun später einmal.

Er arbeitete zudem mit Choreographen wie Kenneth MacMillan, John Neumeier, Jiri Kylian, William Forsythe und Maurice Béjart. Begeisterungsstürme lösten seine Interpretationen von „Romeo und Julia“ oder von „Onegin“ aus. Cranko schuf für ihn viele unvergessene Rollen und mit „R.B.M.E.“ - den Initialen seiner wichtigsten Tänzer Richard Cragun, Birgit Keil, Marcia Haydée und Egon Madsen - auch ein eigenes Ballett über Liebe und Freundschaft.

A propos: Mit Marcia Haydée, mit der er 28 Jahre tanzte, verband Cragun über viele Jahre auch eine große Liebe, bis er sich zu seiner Homosexualität bekannte. „Richard war einer der besten Tänzer der Welt, auf dem Niveau von Rudolf Nurejew“, sagte Haydée. Keil hatte mit ihrem Partner im Leben und auf der Bühne, Vladimir Klos, noch bis zuletzt Kontakt mit dem todkranken Freund.

„Das ist ein sehr trauriger Tag für alle seine Freunde und alle, die das Ballett lieben: Richard Cragun ist heute Morgen gestorben“, zitierten die „Stuttgarter Nachrichten“ die brasilianische Tanzlehrerin Rosália Verlangieri von deren Facebook-Seite.

Cragun war nach Stuttgart von 1996 bis 1999 Ballettdirektor an der Deutschen Oper in Berlin. In Brasilien leitete er von 2003 bis 2004 das Ballett des Stadttheaters von Rio de Janeiro. Dort gründete er laut „Stuttgarter Nachrichten“ mit seinem Lebensgefährten Roberto de Oliveira, dem ehemaligen Haus-Choreographen des Stuttgarter Balletts, eine Compagnie und eine Schule für Kinder aus den Favelas.

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