Bestseller-Autor Daniel Kehlmann schreibt sein erstes Bühnenstück

Daniel Kehlmann hat das Regietheater noch vor zwei Jahren heftig kritisiert. Jetzt hat er selbst ein Drama auf die Bühne gebracht.

Salzburg/Graz. Jetzt schreibt er auch noch ein Theaterstück! Daniel Kehlmann, der seit seinem Welt-Erfolg „Die Vermessung der Welt“ zu den vielversprechenden Jung-Romanciers im deutschsprachigen Raum zählt, hat in Salzburg mit „Geister in Princeton“ sein erstes Bühnendrama herausgebracht.

Ging es in seinem Roman um die mit Fantasie und Komik angereicherten Lebensgeschichten von Alexander von Humboldt und Carl Gauß, so nimmt Kehlmann nun den Logiker Kurt Gödel (1906-1978) ins Visier.

Dieser gilt als einer der größten Logiker seit Aristoteles, war aber weltfremd, ausgezehrt und von Gespenstern getrieben. Über Sibirien floh Gödel Ende der 30er Jahre aus Österreich nach Amerika und wurde dort der beste Freund des lebenslustigen Albert Einstein. „Auch, weil der ihm widersprach“, meint der 36-jährige Daniel Kehlmann und macht aus diesem Wissenschaftler und Denker einen aufregenden Bühnenhelden.

Ursprünglich handelte es sich bei diesem Unterfangen um einen Stückauftrag der Salzburger Festspiele, der zunächst aber nicht in Gang kam. Denn 2009 hatte sich Kehlmann in einer umstrittenen Schmährede auf das brachiale Regietheater als neokonservativ geoutet.

Damit schreckte er das Festival-Publikum auf und trat eine bundesweite Debatte los — über den Sinn eines Theaters, das sich über die Köpfe eines breiten Publikums hinweg selbst in Szene setzt.

Damit wollte er posthum seinen Vater Michael Kehlmann rehabilitieren: Der Regisseur wurde seit den späten 80ern von der damaligen Avantgarde als Traditionalist angesehen und erhielt kaum noch Angebote.

Die Überraschung war perfekt, als es jetzt in der Mozartstadt zu einer heimlichen Vor-Uraufführung von „Geister in Princeton“ kam. Offiziell soll sie erst am 24. September in Graz stattfinden, unter der Regie von Düsseldorfs Ex-Intendantin Anna Badora.

Doch die als „szenische Lesung“ getarnte Vorstellung mit dem Star-Mimen Peter Jordan als Kurt Gödel und Bettina Stucky als seine Frau Adele brachte das Urgestein Christopher Hampton heraus. Der Librettist von Andrew Lloyd Webber zeigte mit spärlichen, aber effektvollen Requisiten, wie bühnentauglich dieses Erstlings-Drama von Kehlmann ist.

In munteren Dialogen geht es um die Lebensstationen des Wiener Denk-Genies Gödel. Stets kränkelnd und seit seiner Kindheit Einzelgänger, Außenseiter und Hypochonder litt er in zunehmendem Alter unter Paranoia. Sein Verfolgungswahn steigerte sich zum Vergiftungswahn, so dass seine Frau Gödels Gerichte stets vorkosten musste.

Zusammen mit ihr floh der an Alltagsproblemen verzweifelnde Mathematiker vor den Nazis, obwohl er gar nicht verfolgt wurde, sich aber einredete: „Jeder glaubt, dass ich Jude bin.“ Die Gödels wanderten nach Amerika aus, wo Kurt von Albert Einstein unter die Fittiche genommen wurde.

Neben einem satirischen Blick auf den Wissenschaftsbetrieb mit seinen Eitelkeiten führen Kehlmanns geschickt montierte Szenen die Biografie des zurückgezogenen Wissenschaftlers vor, der Gespenster sah und mit ihnen redete.

Von der Kindheit über Schule und Flucht bis zur Bahre sieht man ihn als Muttersöhnchen und irrlichterndes Genie. Ähnlich wie in seinen Romanen bietet Kehlmann geistreiche Unterhaltung und leicht verdauliche, sprachlich brillante Kost.

Er kreiert mit dieser satirischen Doku ein neues Genre — eine Art „Wissenschafts-Boulevard“. Nach der Uraufführung in Graz werden die „Geister in Princeton“ vermutlich ihren Siegeszug auf deutschsprachige Bühnen antreten.

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