Bochum: „Das Leben ist kein Fahrrad“ uraufgeführt

Bochum (dpa) - Der Bochumer Schauspielintendant Anselm Weber profiliert sein Haus energisch als europäisches Theater. Daher auch hat Biljana Srbljanovic, Serbiens derzeit namhafteste Dramatikerin, ihr Stück „Das Leben ist kein Fahrrad“ als Auftragswerk für die Bühne verfasst.

In Szene gesetzt hat es Intendant Weber selbst. Die bittere Farce handelt von fragwürdigen Vätern und den Problemen der Abnabelung. Biljana Srbljanovic war zur Uraufführung am Samstag nach Bochum gekommen und nahm den begeisterten, lang anhaltenden Schlussbeifall in den Kammerspielen gemeinsam mit dem Ensemble entgegen.

In der ersten Szene warten Nadežda und ihr alter Vater in einem Krankenhaus endlos auf den Arzt. Anselm Weber erinnert in seiner Uraufführungsinszenierung gleich zu Anfang an „Warten auf Godot“. Wie in Samuel Becketts Klassiker des absurden Theaters Godot nicht kommt, bleibt auch bei Biljana Srbljanovic der Arzt zunächst aus. „Das Leben ist kein Fahrrad“ ist auch ein absurdes Stück, aber wesentlich stärker in der Realität verankert als „Warten auf Godot“.

Nadežda kann sich nicht recht von ihrem alten Vater lösen, obwohl sie schon bald vierzig wird. Sie starrt zu sehr auf die Vergangenheit und den Vater, anstatt sich den Problemen der Gegenwart zu stellen und sie zu lösen.

All die anderen Episoden und Gestalten, die nur oberflächlich mit Nadežda und ihrem sterbenden Vater verknüpft sind, beschreiben das gleiche Problem, besonders deutlich bei der „Dicken“. Die „Dicke“ ist das 15-jährige, im Wohlstand verwahrlosende Gör eines offenbar (einfluss-)reichen Mannes. Der stellt einen seiner Mitarbeiter für sie als Betreuer, anstatt sich selbst um seine Tochter zu kümmern.

Nach der ersten, relativ ruhigen Szene drehen Regisseur Weber und sein Ensemble auf und spielen einen Schwank. Doch damit verfehlen sie den Realitätsgehalt des Stücks. Dessen Provokation liegt in der These, das Reale sei absurd und das Absurde real. Allzu oft wird gehampelt statt getanzt, geschrien statt gesprochen, gekreischt statt geweint.

Nur Dieter Hufschmidt als Papa findet mit seinem psychologisch wahrscheinlichen Spiel die Verankerung des Stücks in der Wirklichkeit. Korruption herrscht überall, Schlampigkeit ist der Normalfall - und da niemand Verantwortung übernimmt, bleibt alles wie es ist oder wird schlimmer.

Biljana Srbljanovic setzt ihre kurze, knappe Schlüsselszene ganz ans Ende, um ihr mehr Gewicht zu geben. Der eben verstorbene Vater tritt noch einmal auf, um seiner Tochter vorzuhalten: „Ach, Kind, du findest dich im Leben einfach nicht zurecht.“

Das Stück ist zupackender als die Uraufführung, der Humor der 14 Szenen kommt zu selten über die Rampe. In kommenden Inszenierungen könnten weitere Potenziale der bitteren Farce, die auch mit dem Alltag in Serbien, der Heimat Biljana Srbljanovics, kompromisslos abrechnet, entfesselt werden.

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