„Die Wanderhure“ in Bad Hersfeld uraufgeführt

Bad Hersfeld (dpa) - Die Autoren der millionenfach verkauften Romanvorlage waren zu Tränen gerührt.

„Die Wanderhure“ in Bad Hersfeld uraufgeführt
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Als die 1100 Zuschauer am Mittwochabend mit einem kräftigen Applaus die Uraufführung von „Die Wanderhure“ honorierten, wurden Iny Klocke und Elmar Wohlrath aus dem Publikum auf die Freilichtbühne in der Stiftsruine geholt. Die beiden Schriftsteller, bekannt unter dem Pseudonym Iny Lorentz, lieferten die prominente Vorlage für die Bühnenfassung bei den 64. Bad Hersfelder Festspielen.

Nach der ersten Theateraufführung dieses Mittelalter-Stücks sagte Klocke sichtlich beeindruckt: „Ich hätte am liebsten geheult vor Freude hinterher. Es war überwältigend schön.“ Und auch ihr Mann war voll des Lobes: „Es war grandios umgesetzt. Besser kann man es nicht machen. Unsere Erwartungen sind übertroffen worden.“ In der Bühnenfassung sei genau das herausgeholt worden, was für das Stück wichtig gewesen sei.

Verantwortlich für die Fassung zeichnete Gerold Theobalt. Inszeniert wurde der Historien-Krimi, der auch schon verfilmt wurde und ein Millionen-Publikum anzog, von Regisseur Janusz Kica. Die üppige Saga auf die Bühne zu bringen, sei ein Wagnis gewesen, sagte er. Aber der bekannte Stoff habe den Weg zu den Zuschauern vereinfacht.

Die Wanderhuren-Romane haben sich nach Verlagsangaben bisher mehr als vier Millionen Mal verkauft. Und allein die erste TV-Verfilmung im Jahr 2010 mit Alexandra Neldel sahen rund zehn Millionen Zuschauer.

Die Hauptrolle der in die Prostitution getriebenen Marie Schärer spielte in Bad Hersfeld Andrea Cleven mit viel Herzblut. Sie zeigte in dem mit „Sex and Crime“ garnierten Stück auch viel nackte Haut. Ihre Hilflosigkeit und die Entwicklung aus der Opferrolle heraus zur Frau, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt, sei eine Herausforderung gewesen, sagte die 36-Jährige, für die es die erste Hauptrolle bei den traditionsreichen Freilichtfestspielen war.

Julian Weigend, der auch in der Verfilmung die Rolle des Ruppertus Splendidus von Keilburg hatte, gab den Gegenspieler als intriganten Winkeladvokaten und spleeniges Scheusal mit dämonischen Zügen.

In dem deftigen Sittengemälde geht es aber nicht nur um schmutzige Intrigen. Eingebettet ist die Handlung in das Konzil von Konstanz, bei dem zwischen 1414 und 1418 um die Einheit der zu dieser Zeit von drei Päpsten gespaltenen Kirche gerungen wurde. Viele sähen darin auch den Beginn der Emanzipation des Einzelnen aus den Klauen von klerikaler und feudaler Unterdrückung, befand Intendant Holk Freytag.

Nicht für jeden Zuschauer dürfte sich die Herleitung und Entwicklung des historischen Handlungsstrangs um das Konzil hinreichend erschlossen haben. In der zweistündigen Theaterfassung wählte Kica dennoch auf das Wesentliche bedacht die Schlüsselszenen der Geschichte aus. Sie passt ohnehin vortrefflich in die Spielstätte in Bad Hersfeld, in die größte romanische Kirchenruine der Welt. Das klassisch gehaltene Kostümbild wirkte stimmig, das Ensemble homogen.

Freytag wählte das Stück aus zum diesjährigen Festspiel-Motto „Von Menschen und Mächten“. Die erfundene Geschichte der Wanderhure stehe stellvertretend für Tausende Schicksale dieser Art. „In dem Stück werden auch Machtmechanismen gezeigt, wie sie heute noch in der Weltpolitik zu beobachten sind“, sieht Freytag Bezüge zur Gegenwart.

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