Drama über Bootsflüchtlinge in Wilhelmshaven

Wilhelmshaven (dpa) - Als Enthüllungsjournalist unter falschem Namen hat Günter Wallraff Schlagzeilen gemacht. Mit verdeckter Identität arbeitet auch der renommierte italienische Journalist Fabrizio Gatti.

Er begleitet Flüchtlinge auf den lebensgefährlichen Routen der Menschenhändler von Afrika nach Europa.

Schließlich strandet er, als kurdischer Flüchtling Bilal getarnt, im berüchtigten italienischen Auffanglager Lampedusa. Sein Bestseller-Buch dient jetzt als Vorlage für ein Theaterstück der Landesbühne Niedersachsen-Nord. „Bilal - Leben und Sterben mit Illegalen“ hat am Samstag Premiere in Wilhelmshaven.

„Die Geschichte geht unter die Haut“, sagt Regisseurin Eva Lange über die erschütternde Gatti-Reportage, die 2010 auf deutsch erschien. „Menschen verlassen ihre Heimat mit der Hoffnung auf ein besseres Leben und gehen dafür Todesgefahren ein, werden gequält und ausgeplündert.“ Das aktuelle Unglück des italienischen Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ lasse das Schicksal tausender Bootsflüchtlinge vergessen: „Das Mittelmeer ist das größte Massengrab unserer Zeit.“

Im Theaterstück stellt Gatti den Plan für verdeckte Recherchen seiner Redaktion vor und durchquert dann mit afrikanischen Flüchtlingen die Sahara. Im Wüstenort Derkou, einer Oase, begegnen sich die Schicksale von Migranten, Menschenhändlern, Fahrern, Polizisten und Militärs - und erzählen von Ängsten und Träumen.

In seiner Theaterfassung von Fabrizio Gattis Buch zeigt der Schweizer Autor Peter Höner auch die innere Zerrissenheit des Reporters: „Gatti hat die Flüchtlinge nicht nur beobachtet, er hat auch mitgelitten, wollte helfen und aufklären.“ Denn Gatti hörte verklärte Vorstellungen über ein Europa, das bei verzweifelten Menschen unerfüllbare Wünsche weckt. Seine Appelle zur Umkehr verhallen ungehört. Andererseits kann auch er als Reporter zwischen beiden Welten keinem Flüchtling zu Pass und Einreise verhelfen.

Ein sudanesischer Flüchtling habe Gatti gesagt, wie er dennoch etwas tun kann: „Die Welt muss unsere Geschichten kennen, sonst gehen sie verloren - geh nach Hause und schreibe darüber!“ Für Höner ist das eine der Botschaften des Stücks: „Wie gehen wir in Europa mit den Flüchtlingen um, wie können wir das lösen? Der schlechteste Umgang wäre die Verdrängung - das Ignorieren des Problems.“

„Bilal - Leben und Sterben mit Illegalen“ könnte ein wichtiges Stück für die deutschsprachige Theaterlandschaft und die gesellschaftliche Diskussion werden, erhofft sich die Landesbühne Nord in Wilhelmshaven. Die Brisanz der Themen Flucht, Zukunftsangst, Migration und Abschiebung werde täglich deutlich - etwa in Berichten aus afrikanischen Ländern und in den immer wiederkehrenden Tragödien vor und auf Lampedusa.

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