Ein Krieg, in dem kein Blut fließt

Für ihre Bochumer Inszenierung von Heinrich von Kleists "Penthesilea" hat die junge Regisseurin Lisa Nielebock das Personal des Trauerspiels auf sechs Frauen und vier Männer reduziert.

Bochum. Auf dem Schlachtfeld vor Troja stehen ein Tisch und Stühle, den Boden bedecken Splitt und Steine. Ansonsten ist die Bühne kahl, zeigt ihre ganze kühle Theatermaschinerie. Leseprobe oder Ludenkonferenz? Die Situation bleibt etwas unklar. Die Griechen, alle machohaft mit Goldkettchen und Cowboystiefeln, stehen den verfeindeten Amazonen nicht gegenüber. Sie mischen sich untereinander, tauschen sich nur durch stumme Blicke aus. Blut fließt keines. Nur einzelne Schreie markieren diesen Krieg der Worte.

Für ihre Bochumer Inszenierung von Heinrich von Kleists "Penthesilea" hat die junge Regisseurin Lisa Nielebock das Personal des Trauerspiels auf sechs Frauen und vier Männer reduziert. Doch nicht nur zahlenmäßig dominieren die Amazonen. In ihren Stiefeln und langen Handschuhen wirken sie entschlossener und martialischer als die griechischen Krieger. Allen voran Penthesilea, die Amazonenkönigin, die sich gegen alle Vernunft in den Feind Achilles verliebt. Die Probleme, die ihr dieses emotionale Dilemma beschert, macht Lena Schwarz physisch spürbar: Sie zappelt, stampft, schreit und keift und legt sich mit dem Hals auf den Bühnenrand, als sei es eine Guillotine. Rationale Kriegsführung trifft auf Gefühl, Staatsräson auf individuelle Verwirklichung, die in dem strengen Amazonenstaat nicht vorgesehen ist.

Der nicht mehr ganz junge Achilles, den Thomas Anzenhofer souverän und ruhig mit leicht süffisantem Lächeln gibt, unterwirft sich ihrem Spiel aus Anziehung und Abstoßung und lässt sich von ihr zum Schein erobern: mit tödlichem Ausgang. Aus Küssen werden Bisse, und Penthesilea - "halb Furie, halb Grazie" (Achilles) - tötet in blinder Raserei den Geliebten.

Danach setzt ein Regen ein, der totale Ernüchterung bringt. Die Krieger reinigen sich, als könnten sie so ihre Schuld abwaschen. Penthesilea ist nun ganz ruhig und weiß, dass es für sie nur einen Weg gibt. Doch die Gewalt bleibt auch hier nur verbal: "So, so, so", stößt sie sich den Dolch mit Worten in die Brust.

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