Laut, schrill, ehrlich: Steckels „Romeo und Julia“

Hamburg (dpa) - Die zerstörerische Kraft der Liebe bricht sich gleich im ersten Bild ihre Bahn: Mit voller Wucht springt Benvolio gegen eine Wand und bleibt dann zunächst reglos auf dem Boden liegen.

Laut, schrill, ehrlich: Steckels „Romeo und Julia“
Foto: dpa

Romeo tut es ihm nach. So schmerzhaft ist für ihn die unerfüllte Liebe.

Wenig später erklingen hämmernde Techno-Beats, Tausende von Lichterketten gleiten langsam von der Decke herab. Alles ist laut, schrill, bedrohlich. Der Tod tanzt ständig mit. Regisseurin Jette Steckel inszeniert William Shakespeares Klassiker „Romeo und Julia“, mit dem sie die Spielzeit am Hamburger Thalia Theater eröffnete, für alle Sinne. Schauspiel, Musik und Bilder lassen keine Zweifel: Die Liebe ist tödlich.

Steckel erzählt die Geschichte von der Unmöglichkeit der Liebe auf drei Ebenen: theatral mit Birte Schnöink und Mirco Kreibich als liebendes Paar, musikalisch mit Anja Plaschg (Soap & Skin) und Anton Spielmann (1000 Robota) sowie mit einem 40-köpfigen Chor. Sie alle agieren als Romeo und Julia und fügen sich so zu einem komplexen, hochemotionalen und berührenden Bild der Liebenden zusammen. Sie alle transportieren die Emotionen, die Musik schafft die Atmosphäre zwischen den Liebenden: mal süßlich-romantisch, mal ungestüm-stürmisch, mal verzweifelt laut.

Der Chor, jeweils 20 Jungen und Mädchen, erzählt von den Gefühlswelten und verdeutlicht die Komplexität dieser Emotionen. Die Jungen und Mädchen treten langsam auf die Bühne, oftmals als Schattenbilder, oder stürmen kreischend ins Publikum. Sie reißen sich die T-Shirts vom Körper, wenn Romeo und Julia es tun. Es sind die Romeos und Julias dieser Welt.

Mit Spielmann, Sänger der Band 1000 Robota, und der Österreicherin Plaschg (Soap & Skin) holt Steckel zwei angesagte junge Musiker auf die Theaterbühne, die mal mit sanftem Klavierspiel (Plaschg) dann doch auch romantische Momente bestreiten oder voller Aggressionen die Ausweglosigkeit der Liebe, die Verzweiflung herausschreien.

Schnöink gibt eine selbstbewusste, entwaffnend reine und doch görenhafte Julia. Ganz Teenager begehrt sie gegen den Vater auf, dem sie sich zwischenzeitlich doch fügen muss. Kreibich als Romeo agiert solide als liebeskranker Jüngling. Sie geben ein überzeugendes, ehrliches Bild eines Teeniepaares ab, das um den tödlichen Ausgang seiner Liebe weiß und es doch nicht immer glauben will.

Steckel, Jahrgang 1982, biedert sich nicht an, Shakespeares Stoff aus dem 17. Jahrhundert in die Gegenwart zu verlegen, sie nutzt schlicht die Sprache der Gegenwart: Worte, Musik, Bilder, Lichteffekte. Dabei lassen sie und Dramaturg Carl Hegemann die Protagonisten mal die Originaltexte sprechen, mal die Neuübersetzung ihres Vaters Frank-Patrick Steckel, mal eigene Interpretationen. Das verleiht der Inszenierung etwas Komödiantisches.

Überhaupt hält sich Steckel über weite Strecken an das Original, lässt Mercutio (Julian Greis) als einen wilden, frechen, manchmal etwas zu derben Draufgänger auftreten. Die Amme (Karin Neuhäuser) gibt sich als eine schlichte, aber gutmütige Beschützerin und Verbündete Julias, die Steckel mit einer gepflegten Trinkfreude und damit verbundener ordinärer Dümmlichkeit ausstattet.

Die preisgekrönte Regisseurin wirft einen unverklärten, skeptischen Blick auf die Liebe, lässt zugleich Romantik zu. Auch wenn Steckel, die seit 2006 am Thalia arbeitet, in einem Interview sagte, dass es ihr nicht um die Liebe allein geht, so ist sie doch das, was das Stück und die Inszenierung trägt und so erlebenswert macht. Steckel findet eine überzeugende, eindringliche Sprache, von der Liebe in all ihren Facetten zu erzählen.

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