Martin Walser liest Heine zum Geburtstag

Martin Walser interpretiert den großen Düsseldorfer Literaten. Ein vergnüglicher Abend.

Düsseldorf. Wer erreicht schon Heines Leichtigkeit? Zu den wenigen Literaten, deren Werke sich dadurch auszeichnen, zählt sicherlich Martin Walser. Und so luden die Düsseldorfer jetzt den 84-jährigen Erzähler ein, um an den „Wintermärchen“-Poeten zu erinnern. Dessen 214. Geburtstag feierten Deutsche und Franzosen erstmals mit einer Heine-Nacht mit 22 Lesungen im Heine-Institut und dem benachbarten Institut français.

Wegen der großen Nachfrage trat Walser gleich zwei Mal auf und las seine Texte „Heines Tränen“ und „Heines Größe“. Letzterer ist ein Nachwort zu der kürzlich gefundenen und gedruckten Heine-Schrift „Französische Zustände“. Sicherlich Texte, die man besser liest als hört. Doch der nahezu bühnenreife Vortrag Walsers, der seinen leicht südwestdeutschen Dialekt-Einschlag nicht versteckt, wurde für mehrere 100 Besucher zu einem Erlebnis.

Man spürte Walsers Vergnügen, bei einer Heine-Nacht aufzutreten. So begann er mit einem umgewandelten Heine-Zitat: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, schlaf ich weiter bis halb acht.“ Gemünzt sei das auf den Fall der Mauer 1989. Danach sei er nicht mehr so besorgt um Deutschland gewesen wie einst Heine in seinem Pariser Exil.

Der Meister-Erzähler Walser, der 1981 mit der Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft ausgezeichnet wurde, erinnerte an die Nachkriegszeit, als es für ihn „nur noch Heine“ gab. Er habe damals verstanden, dass Dichtung nicht feierlich sein müsse (wie bei Hölderlin und Schiller), um infrage zu kommen. Heine habe die Sprache säkularisiert.

Walser sprach zudem über den politischen Umbruch 1832 in Paris, den Heine in den „Französischen Zuständen“ kommentierte — im Auftrag der in Augsburg erscheinenden „Allgemeine Zeitung“. Heine schwärmte über Revolution, Republikaner und einen Bürgerkönig. Die Reaktion der Fürsten in Deutschland ließ nicht lange auf sich warten, fürchteten nicht nur Preußens Monarchen doch, dass Heines Artikel einen Feuerbrand entfachen könnten.

Doch so sehr sich Heine in Frankreich für die Republikaner einsetzte, habe er immer der Staatsform Republik misstraut und die „Torheit der Demokraten“ angeprangert. Im Vergleich zum idealistisch kämpfenden, pathetischen Ludwig Börne sieht Walser in Heine eher einen Spieler. „Der eine kämpft, der andere spielt.“

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