Messerscharfe Sezierkunst beim Kabarett-Preis

Nürnberg (dpa) - Ob durch präzise Pointen oder beredtes Schweigen: Die Träger des Deutschen Kabarett-Preises 2011 legen menschliche Schwächen ebenso schonungslos offen wie die Mängel der Politik.

Beziehungsprobleme, der Niedergang der FDP oder die Unverständlichkeit elitärer Kunst - die Spannbreite der Themen war groß, als sich Rolf Miller, Max Uthoff sowie das Duo Ulan & Bator am Samstagabend in Nürnberg mit Auszügen aus ihren Programmen präsentierten und vor einem begeisterten Publikum ihr Preisgeld von insgesamt 12 000 Euro entgegennahmen.

Vieles muss gar nicht ausgesprochen werden, um trotzdem millimetergenau den Punkt zu treffen: Hauptpreisträger Rolf Miller lässt seine Figur eines eher schlichten, auch sprachlich beschränkten Mannes lieber in abgebrochenen Sätzen, Lücken und Pausen untergehen. Im Kopf des Zuhörers wird dennoch eine Assoziationskette ausgelöst, die nicht nur weit verbreitete menschliche Schwächen aufdeckt, sondern auch die Politik kritisiert.

So schlägt Miller mit wenigen Sätzen einen Bogen vom Extrembergsteiger Reinhold Messner und dessen Engagement für den Alpenschutz hin zum Atomausstieg. Die vier Worte „unn des war vor...“ mit anschließender Pause genügen dem 44-Jährigen, um beim Zuhörer Erinnerungen nicht nur an die Reaktor-Katastrophe von Fukushima hervorzurufen, sondern auch an die folgende 180-Grad-Wende der Koalition, die auf einmal den Atomausstieg beschloss.

Letztlich aber betrifft diese Entscheidung den begeisterten Sportschaugucker auf der Bühne ebenso wenig wie der Kampf gegen den Klimawandel: „Was bringt des, wenn mir Sparlambe einschraube? Dann geht in 5000 Joor die Welt zwei Woche später unner!“

Die Jury des Deutschen Kabarett-Preises überzeugte Millers Blick des „kleinen Mannes“ auf die großen Themen: „Hinter der Harmlosigkeit seiner scheinbar so schlichten Bühnenfigur lauert der Spießer in uns allen (...)“, heißt es in der Begründung. Gerade die Sprachlosigkeit werde „zum allumfassenden Thema, und das ihr zugrundeliegende Denken wird kompromisslos bis zum Kern freigelegt“.

Ähnlich lobende Worte fand die Jury für den Förderpreisträger Max Uthoff, der gleich in seinem ersten Programm einen genauen Beobachter und scharfen Analytiker des politischen Lebens offenbart habe. Die Worte des studierten Juristen sind messerscharf: „Unsere Nation leidet immer noch unter emotionaler Schnappatmung, weil die Nachfolge bei "Wetten, dass..?" noch nicht geregelt ist.“ Eine Chance für Christian Wulff, findet Uthoff - und schlägt dem noch amtierenden Bundespräsidenten folgende Saalwette vor: „Wetten, dass Sie es nicht schaffen, einen Unternehmer aus Hannover auf die Bühne zu bringen, bei dem ich noch nicht Urlaub gemacht habe?“

Kein politisches Kabarett, aber dennoch nicht unpolitisch präsentierten sich die Förderpreisträger Ulan & Bator, die laut Jury „mit kreativer Urkraft eine völlig neue Form der Komik auf deutschen Bühnen“ etabliert haben. Sebastian Rüger und Frank Smilgies vereinen vielfältige Elemente aus Kabarett, Improtheater, Pantomime, Gesang, Tanz, Nonsens und Dadaismus, sobald sie ihre Bommelmützen aufsetzen.

Dann sezieren sie nicht nur Fanatismus jeglicher Couleur, sondern auch das Klassikprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das „fünfstündige Opus Gaumensegel Dekonstrukt“, bei dem der fiktive Komponist sein Trauma Schnarchen verarbeite, erinnert tatsächlich fatal an die eine oder andere moderne Aufnahme - dabei schieben Rüger und Smilgies nur ihre Stühle über die Holzbühne.

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