Neumeiers Bundesjugendballett „Im Aufschwung“

Hamburg (dpa) - „Tanz ist kreativ sein oder Spaß haben“, ruft der dunkle Lockenkopf Maurus Gauthier und verrenkt sich akrobatisch zum Beat-Boxing in raschen Breakdance-Figuren.

Sein kanadischer Kollege Graeme Fuhrman meint wild rockend: „Tanz ist Musik, eine Choreographie oder einfach eine Idee.“ In der Uraufführung von Stacey Denhams biografischem Tanzstück „Dance To The Rhythm Of Life“ haben sich die Mitglieder des Bundesjugendballetts bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt am Montagabend in Hamburg humor- und schwungvoll vorgestellt.

John Neumeiers junge Compagnie war erst im vergangenen Jahr an den Start gegangen. Die acht Profitänzer sind im Hamburger Ballettzentrum beheimatet und sollen mit ihrem eigenen Repertoire ungewohnte Räume bespielen. Geplant sind nicht nur Auftritte in Theatern, sondern auch in Altenheimen, Schulen und sogar Gefängnissen. Für Neumeier ging mit Deutschlands erstem Bundesjugendballett ein langersehnter Traum in Erfüllung. Die Bundesregierung unterstützt das Projekt, das zunächst für vier Jahre angesetzt ist, mit rund 2,8 Millionen Euro.

Bei ihrem Auftritt im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater konnten die Tänzer solistisch etwas von ihrer Persönlichkeit zeigen, zugleich aber auch beweisen, dass sie in der kurzen Zeit bereits zu einer harmonischen Gruppe zusammengewachsen sind. Zweifellos ein Verdienst des künstlerischen Leiters Kevin Haigen und des Ballettmeisters Yohan Stegli. Das vierteilige Programm „Im Aufschwung“, mit dem sie die Zuschauer begeisterten, demonstrierte das facettenreiche Konzept für die Jugendcompagnie. Sie trainiert klassisch und modern, entwickelt jedoch vor allem eigene zeitgenössische Choreographien.

Ihr „Requiem“ etwa ist eine experimentelle Collage aus Tanz, Text und Musik und beschäftigt sich mit dem Elend des Krieges. Ein scharfer Kontrast zur Lebensfreude des leichtfüßig gedrehten und gesprungenen Pas de six aus „Napoli“. Ganz in ihrem Element fühlen sich die Tänzer bei Natalia Horecnas bizarrer Tanzgroteske „Dressed Up in Tissue Paper“, die in eine Art dunkles Seelenkabinett des Unterbewussten führte - ein faszinierend dämonisches und doch auch komisches Märchen.

Als „Brücke zwischen Ausbildung und Beruf“ soll das Bundesjugendballett fungieren, um das künstlerische Potenzial durch Austausch, Weiterbildung und praktische Erfahrung zu fördern und zu festigen. Es ist zwar unter dem Dach des Hamburg Balletts angesiedelt, hat aber die durch Neumeier definierte Aufgabe, „mit eigenem Repertoire das Gefühl, Bewusstsein und Ideen der jungen Generation kreativ zu spiegeln“. Es soll als Vermittler zwischen Jugendkultur, Hochkultur und Bevölkerung wirken.

Die nächsten Auftritte bestreitet die Compagnie in Zusammenarbeit mit deutschen Musikfestivals. Beim „Heidelberger Frühling“ präsentieren sie und Stipendiaten der Lied Akademie 2011 ein Tanzprogramm, darunter Robert Binets Choreographie zu Schuberts Zyklus „Die schöne Müllerin“ (29./30.3). Auch beim Jungen Europäischen Musikfestival „Podium“ in Esslingen ist das Bundesjugendballett zu Gast (15./16.4). Ebenso tanzt es bei der Matinee zur Verleihung des Gustaf-Gründgens-Preises 2012 an Neumeier im Deutschen Schauspielhaus Hamburg (22.4.)

Geplant sind außerdem ein Gemeinschaftsprojekt mit der Jugendvollzugsanstalt Rottenburg, bundesweite Aufführungen in Einrichtungen der Diakonie und eine gemeinsame Deutschlandtournee mit dem Bundesjugendorchester.

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