Pub-Theater: Ganz nah dran an Shakespeare

London (dpa) - Ein Sessel als Thron, dahinter eine orangefarbene Wand, die halb zerfällt - das Theater „Upstairs at the Gatehouse“ befindet sich über dem Gatehouse-Pub in Highgate im Norden von London.

Pub-Theater: Ganz nah dran an Shakespeare
Foto: dpa

Auf der Bühne vor dem Thron sitzen ein paar professionelle Schauspieler und üben für das Shakespeare-Stück „Richard the Third“, das am Abend aufgeführt wird.

In britischen Pub-Theatern wie in diesem wird, ähnlich wie im Volkstheater zu Shakespeares Zeiten, Unterhaltung für alle geboten, auf unbequemen Stühlen, nahe am Geschehen. „Ich sterbe einen Meter weg von den Zuschauern“, erzählt der Schauspieler Josh Jefferies, der einen Adeligen verkörpert. „So nah zu spielen erzeugt Intimität, man tritt in sehr engen Kontakt mit dem Publikum.“

Das Publikum ist - wie zu Shakespeares Zeiten - gemischt: Menschen unterschiedlichen Alters, aus unterschiedlichen Schichten finden sich hier. „Häufig kommen Leute, die normalerweise nicht ins Theater gehen oder nicht genügend Geld dafür haben“, erklärt Jefferies. Die gut 18 Euro Eintritt hier könne sich fast jeder leisten.

Im 16. Jahrhundert gab es wenig Kulisse, wichtiger waren Schauspiel und Kostüme. Auch das findet sich im Pub-Theater. Die Kleidung in „Richard the Third“ ist aufwendig gemacht: „Korsette, Gurte, Leder“, sagt Regisseurin Zoe Ford. „Das Bühnenbild dagegen ist sehr schlicht mit dem Thron und der vor sich hinmodernden Wand.“

Damals war Theater Unterhaltung, eine Art Volksfest: Huren waren da, Betrunkene, die mitgrölten. Heute werde Shakespeare oft zu intellektuell gespielt, findet die Regisseurin. „Ich möchte seine Stücke zeigen, wie sie wirklich waren: aufregend, frech und verrückt.“

Um „Richard the Third“ fürs Pub-Theater tauglich zu machen, habe sie allerdings brutal kürzen müssen, erzählt Ford: Von vier auf zwei Stunden. „In einem so kleinen Raum kann man nicht Leute vier Stunden lang sitzen lassen, das ist zu unbequem. Im Pub-Theater ist nicht mehr als jeweils eine Stunde vor und nach der Pause drin.“

Der kleine Theatersaal über dem Gatehouse-Pub füllt sich langsam. Gut 50 Zuschauer und Zuschauerinnen sitzen schließlich auf ihren Stühlen, trinken ein Pint, plaudern. Die Stimmung ist ungezwungen. Dann fängt das Stück an und Richard der Dritte hat seinen ersten Auftritt: „Now is the winter of our discontent ...“ (Nun ward der Winter unsers Mißvergnügens...)

Die Tradition des Pub-Theaters ist alt. Vorläufer gab es nach Worten von John Plews, Leiter von „Upstairs at the Gatehouse“, bereits, als Shakespeare noch lebte. Die heute mehr als 100 Pub-Theater in London gehen vermutlich auf die sogenannten „music halls“ zurück - Varieté-Theater, die früher oft Teil englischer Pubs waren. „Darin wurde Unterhaltung angeboten für Kutscher oder Reisende. In vielen Trinkstuben gab es früher einen Raum, in dem Gäste auf irgendeine Art und Weise unterhalten wurden.“

Heute locken Pub-Theater vor allem mit der Intimität der Aufführung, erklärt Plews. „Man sitzt sehr nah, wir haben nur vier Zuschauerreihen, das heißt, man ist nie mehr als zehn Meter weg von der Bühne. Aber die Zuschauer sollen nicht Teil sein der Show, wir wollen nicht, dass sie mitmachen. Wir möchten, dass das Publikum es vor Spannung kaum aushält, weil es so nahe am Geschehen ist.“

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