Salzburger Festspiele: Ritter Gawain mit dem Beuys-Hut

Salzburger Festspiele mit Traum-Tenor und Regie-Flop.

Salzburg. Salzburg schwitzt zwar unter Sahara-Temperaturen. Doch die längsten und teuersten Festspiele der Welt starteten mit zwei großen, wenn auch wenig überzeugenden Opernpremieren.

Wie üblich in ausverkauften Häusern und mit reichlich Glamour. Besonders die Premiere von „Lucio Silla“, ein Jugendwerk Mozarts, wurde mit Spannung erwartet.

Denn neben einer Riege zauberhaft singender Soprane waren alle gespannt auf Rolando Villazón, den einstigen Traum-Tenor-Partner von Anna Netrebko, der seit 2006 mehrere Stimmkrisen erlitt und um den es ruhig wurde.

Dass er sein Comeback mit Mozarts Opera seria um den römischen Tyrannen Lucio Silla versuchte, ist verständlich: Mit zwei Frauen, die Hosenrollen singen, ist Silla (Villazón) Hahn im Korb.

Zwar singt der Sympathieträger, der auch als Clown arbeitet und auf der Bühne elektrisiert und zornig hin- und herrast, in der Mittellage sicher, seine Stimme klingt dunkel und schwer. Doch die spärlichen Höhen kann er nicht erzwingen, er müht sich nach Kräften, doch Kraft, Höhe und Glanz des Traum-Tenors sind verschwunden. Kurze Ansätze hört man nur im Finale.

Knapp vier Stunden perlen Arien dahin, auch aus den jungen Kehlen von Marianne Crebassa und Eva Liebau. In antikem Säulen-Dekor, das wenig Abwechslung bietet. Auf die politische Brisanz der Oper — Wie (über)lebt man in einer Diktatur? Lässt sich Widerstand üben? — verzichtet die Inszenierung von Marshall Pynkowski. Er flüchtet sich in Psychologie und ins Private eines Despoten.

So unterfrachtet die Mozart-Oper inszeniert wurde, so überfrachtet war die zeitgenössische Oper am Abend zuvor. Endzeitstimmung, bleierne Schwere und kraftstrotzende Musik kommen wie in der 1991 in London uraufgeführten Oper „Gawain“ von Harrison Birtwistle auch jetzt auf die Bühne.

Der lettische Regisseur Alvis Hermanis (bekannt auch durch originelle Kölner Theater-Experimente) lässt den Artus-Ritter Gawain als Joseph Beuys mit Filzhut und Fliegerweste auftreten. Hermanis hält nichts von mittelalterlicher Ritterwelt oder Fantasy. Um Letzteres geht es aber in Birtwistles abstruser Läuterung des Ritters, die im Jahr 2021 angesiedelt wird.

Gawain geht auf Selbsterfahrungs-Trip, schlägt dem Grünen Ritter auf dessen Wunsch den Kopf ab. Leider bleibt es dreieinhalb lange Stunden unklar, was Gawain mit Beuys zu tun hat. An dem Regie-Flop ändert auch das zündende Dirigat von Ingo Metzmacher nichts. Es gibt freundlich flauen Applaus.

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