Charlotte Gainsbourg spricht über ihre schwierige Rolle in „Nymphomaniac“

Für die Rolle in Lars von Triers „Nymphomaniac“ ist sie an Grenzen gegangen. Schwer waren vor allem die Textszenen.

Charlotte Gainsbourg spricht über ihre schwierige Rolle in „Nymphomaniac“
Foto: dpa

Düsseldorf/Kopenhagen. Ihre Eltern sorgten mit ihrem Stöhn-Chanson „Je t’aime . . . moi non plus“ in den Siebzigern für einen Skandal. Kein Wunder, dass auch Charlotte Gainsbourg keine Angst hat zu provozieren. Was die Französin in „Nymphomaniac“ zeigt, beweist, wie viel Courage in dieser zarten Person steckt. Zum dritten Mal stand Charlotte schon für Regie-Enfant Terrible Lars von Trier vor der Kamera — aber diesmal in ihrer wohl extremsten Rolle. Süchtig nach Lust, verführt sie Männer in Wohnungen, Zugabteilen, Kneipen, Büros. In zwei Teilen beichtet sie ihre Lebensgeschichte, erzählt von Erregung und Verzweiflung, Lust und Schmerz. Jetzt kommt das filmische Opus als DVD heraus. Der Sturm der Entrüstung scheint an Charlotte Gainsbourg völlig abzuperlen. Das Lächeln, mit dem sie uns im Kopenhagener Hotelpalast D’Angleterre begrüßt, strahlt jedenfalls beneidenswerte Seelenruhe aus.

Frau Gainsbourg, was hat Sie dazu gebracht, dem Projekt zuzustimmen? Betrachten Sie den Film als Manifest zum Thema weibliche Sexualität? Dass Frauen in unserer Gesellschaft auch ein Recht auf grenzenlose Lust beanspruchen sollten?

Charlotte Gainsbourg: Nein, ich sehe diese Rolle nicht als Beitrag zum öffentlichen Dialog. Für mich war diese Frau einfach nur eine unglaublich interessante Person! Und das Drehbuch war das Lehrreichste, das ich je gelesen habe: Diese durchgeknallte Geschichte von der Nymphomanin Joe ist ja gespickt mit verrückten Details wie übers Fliegenfischen und religiöse Motive — und das in einem geradezu didaktischen Ton! Stellan Skarsgaard erinnerte mich an einen Professor . . . Das hat mich angesprochen! Außerdem war ich irre froh darüber, dass Lars mich erneut gebeten hat mit, ihm zu arbeiten. Das war schon überraschend.

Wieso? Sie haben bereits zwei Mal mit ihm gearbeitet . . .

Gainsbourg: . . . und es macht mir jedes Mal Spaß, mit ihm zu drehen. Es erwartet dich jedes Mal etwas Neues, Unerwartetes, Besonderes. Ich ziehe extrem viel Energie aus der Zusammenarbeit mit ihm.

Gehört dazu nicht viel Schneid, sich auf die Zusammenarbeit mit diesem „Enfant Terrible“ einzulassen?

Gainsbourg: Klar, dieser Film war in jeder Hinsicht eine große Herausforderung. Jeder Aspekt davon! Besonders die langen Textpassagen mit Stellan Skarsgaard waren richtig hart für mich. Die haben zwei Wochen gedauert! Nach all den anstrengenden Sex-Szenen hatte ich mich auf diese ruhigen Szenen gefreut, in denen wir nur zusammen sitzen, ich im Bett und er davor, und reden. Und dann wurden das die schwierigsten Drehtage.

Wir dachten, es seien eher die expliziteren Bettszenen . . .

Gainsbourg: Schwer fiel mir auch das Leiden von Joe zu spielen. Das war nicht einfach. Trotzdem setze ich mich solchen Erfahrungen gern aus. Eigentlich schätzt sich jeder Schauspieler glücklich, solch intensive Emotionen durchleben zu können.

Was war bei den vielen Nacktszenen echt, wann wurde getrickst?

Gainsbourg: Das Meiste ist Fake. Wenn es explizit um Sex geht, wurde mit Profidarstellern gedreht, die uns gedoubelt haben. Das Ganze wurde in der Postproduktion so gut vermischt, dass es sehr realistisch wirkt. Nur der Busen ist meiner. Na ja, eigentlich nicht ganz meiner. Denn ich habe zu der Zeit noch gestillt. (lacht)

Wie stecken Sie das emotional weg, nach solch einem Drehtag zur stillenden Mama eines Babys zu werden?

Gainsbourg: Das war einfach großartig! Denn in der Zeit mit meinem Baby kam ich dazu, ganz entspannt durchzuatmen. Tagsüber geschah all dieses verrückte Zeug mit mir und abends ging ich auf mein Hotelzimmer zu meinem kleinen, unschuldigen Baby! (lacht) Dort konnte ich mit der Kleinen kuscheln und ihr die Brust geben — zwei völlig gegensätzliche Welten! Aber das hat mir tatsächlich sehr geholfen und mir ein gutes inneres Gleichgewicht gegeben.

Bei Drehs mit Lars von Trier kommt es immer zu Extremen. Haben Sie je bereut, ihm zugesagt zu haben?

Gainsbourg: Nein! Aber ich war während des Drehs sehr fragil. In der Zeit habe ich einen sehr lieben Menschen verloren, der mir sehr am Herzen lag. Lars wusste, was ich gerade durchmachte, und war mir sehr dankbar und behutsam. Er hat die ganze Zeit über meine Hand gehalten, weil er wusste, wie viel Kraft mich das kostet. Lars ist ein sehr sanfter Mann und geht sehr respektvoll mit seinen Schauspielern um.

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