Der Schrei soll Rekord erzielen

Munchs expressionistisches Werk wird in New York versteigert.

New York. „Ich fühlte das große Geschrei durch die Natur“, schrieb der norwegische Maler Edvard Munch auf Deutsch auf den Rand eines Bildes. Bekannt wurde es als „Der Schrei“. Das vor 120 Jahren entstandene Motiv gehört zu den bekanntesten Gemälden der Welt. Vier Fassungen gibt es, drei davon sind in norwegischem Staatsbesitz. Das vierte kommt am Mittwoch um 19 Uhr Ortszeit in New York zur Versteigerung, Experten halten einen Auktionsrekord für möglich.

„Kein Betrag kann ausgeschlossen werden“, sagt Simon Shaw, Chef für Moderne Kunst bei So-theby’s. Ob der Rekord — aufgestellt vor zwei Jahren mit 106,5 Millionen Dollar für Picassos „Akt mit grünen Blättern und Büste“ — gebrochen werde, könne niemand sagen. Es sind zwar noch teurere Verkäufe bekannt, Jackson Pollocks „No. 5“ kostete vor gut fünf Jahren satte 140 Millionen Dollar. Doch das waren Privatgeschäfte, keine Auktionen.

Das angebotene Bild ist 1895 entstanden und gehört Petter Olsen. Sein Vater Thomas hatte vor gut 100 Jahren im südnorwegischen Hvitsten Edvard Munch als Nachbarn, das Bild erwarb er 1937. Sohn Petter will das Meisterwerk nun verkaufen, um ein Museum für Munch (1863-1944) zu bauen. „Ich habe mein ganzes Leben mit diesem Werk gelebt, und seine Kraft und Energie sind mit der Zeit nur noch stärker geworden“, zitiert ihn das Auktionshaus. „Jetzt scheint die Zeit gekommen, dem Rest der Welt die Chance zu geben, dieses bemerkenswerte Werk zu besitzen und zu bewundern.“

Sotheby’s gibt für das expressionistische Meisterwerk einen Schätzpreis von 80 Millionen Dollar (60 Millionen Euro) an. Doch für ein Rekordergebnis gibt es gute Gründe. „Es ist das zweitbekannteste Gemälde der Welt nach der Mona Lisa“, sagt der Munch-Experte Mark Winter aus Florida. Das Bild gilt als marktfrisch, weil es seit mehr als 70 Jahren nicht zum Verkauf stand. Und Konkurrenz wird es auch nicht geben: Es ist kaum denkbar, dass der norwegische Staat auch nur eine seiner drei Versionen von „Der Schrei“ verkauft.

Winter erklärt sich die Popularität des Bildes mit seiner Universalität: „Jeder erkennt es. Jeder kann es nachvollziehen. Die Welt, unser Leben, ist voller Probleme. Wer möchte nicht manchmal einfach schreien?“ DasGemälde, das eine schreiende Figur auf einem Pier zeigt, werde überall verstanden, „egal ob man Chinese, Deutscher oder Argentinier ist“.

Und deshalb erwartet Winter auch weit mehr als die angegebenen 80 Millionen. „Das Museum, das dieses Bild kauft, kann nur Gewinn machen.“ Nach seiner Rechnung würde das populäre Bild jährlich für eine Million Besucher mehr sorgen. „Wenn jeder 50 Dollar für Eintritt und im Museumsshop dalässt — dann sind das 50 Millionen Dollar im Jahr.“

Ist das Bild erst mal gekauft, seien die laufenden Kosten gering: „Man braucht nur eine Wand und einen Nagel. Selbst die Versicherung wird bei einer großen Sammlung nicht nennenswert höher. Wenn ein Museum den Kaufpreis über ein paar Jahre streckt, kann es leicht 250 Millionen bieten.“

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