Der Vers geht direkt ins Hirn

Der Österreicher Raoul Schrott war zu Gast im Heine-Haus.

Düsseldorf. Was soll Dichtung? Seit wann gibt es Gedichte? Fragen, die Raoul Schrott schon lange beschäftigen. In seinem Buch „Gehirn und Gedicht“ untersucht der 46-jährige Österreicher, in Tunis und Zürich aufgewachsen, das Verhältnis zwischen gebundener Sprache und Gedächtnis. Als Romancier, Lyriker, Übersetzer antiker Epen und Wissenschaftler gilt er als einer der vielseitig Begabtesten seiner Generation.

Wortgewaltig, hemdsärmlig und mit leichtem Augenzwinkern stellte Schrott in der Literaturhandlung im Düsseldorfer Heine-Haus nun seine neuen Thesen vor. Eine besondere Rolle spielen dabei Erkenntnisse der aktuellen Hirnforschung, die den Ursprung von Sprache und Schrift beleuchten. Gedichte gab es schon lange, bevor die Sumerer 3000 vor Christus eine Schrift entwickelten, so Schrott. Sie dienten mündlicher Überlieferung von sachlichen Informationen, da Verse und Reime eher im Gedächtnis haften als Prosa.

In Versen seien auch die ersten Schriftzeichen genutzt worden, etwa auf Grabsteinen. Anschaulich untermauert er das an Beispielen aus der Antike, die Schrott schon in seiner Homer-Übersetzung („Ilias“) analysierte.

Liebesgedichte, von der Mettmanner Künstlerin Claudia van Koolwijk auf Seidenfahnen gemalt, dienten Schrott als Kulisse im Heine-Haus. Am Ende erheiterte der Provokateur mit einer Parodie auf das Wittgenstein-Zitat: „Die Grenze meiner Sprache ist die Grenze meiner Welt.“

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