Die "schönsten" Rembrandt-Werke in Haarlem

Das Teylers Museum hat abstimmen lassen: In Nordholland sind 100 Zeichnungen und Radierungen zu sehen.

Haarlem. Kaum zu glauben, aber wahr: Das Interesse an Rembrandt-Werken war in den Niederlanden im 18. Jahrhundert nicht gerade riesig. Im Teylers Museum im nordholländischen Haarlem spielte das allerdings keine Rolle: Dass ausgerechnet in der Stadt, die vor den Toren der Kulturmetropole Amsterdam liegt, aber doch auch immer in deren Schatten zu stehen scheint, schon kurz nach der Eröffnung des Teylers Museums (1784) die ersten Rembrandts gesammelt wurden, zahlte sich aus. Der Museumsbesucher von heute kann sich über so viel Weitsicht im Nachhinein nur bedanken.

Zumal es einen aktuellen Anlass zur Bewunderung gibt: "Die 100 schönsten Rembrandts" verspricht eine Sonderausstellung, die bis zum 19. Januar 2014 zu sehen ist. Der Titel spricht für sich und zugleich dafür, dass das Museumsteam selbstbewusst genug ist, um nicht zu kleckern, sondern kunstvoll zu klotzen.

Rembrandt mit lockigem Haar, Rembrandt mit federgeschmücktem Barett, Rembrandt mit weit aufgerissenen Augen: Die zahlreichen Selbstbildnisse sind bei weitem nicht die einzigen Schätze, die die Sammlung des Museums zu bieten hat. Aber sie zeigen schon am Eingang, dass es hier um eine außerordentliche Persönlichkeit geht: um den bedeutendsten niederländischen Maler des Barock. Zu Lebzeiten wirkte sein Werk stilbildend - später, im 19. Jahrhundert, stieg sein weltweiter Bekanntheitsgrad erneut rasant an.

Doch im späten 17. und im 18. Jahrhundert war der Künstler, der 1669 verarmt gestorben war, nahezu vergessen. Deshalb ist die Rembrandt-Hommage in Haarlem auch nicht nur als eine von vielen Meister-Betrachtungen - als eine weitere Würdigung - zu verstehen. Die "Best-of"-Zusammenstellung lässt vielmehr Rückschlüsse auf das öffentliche Rembrandt-Bild zu, das sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat. Die Grundvoraussetzungen, um den veränderten Publikumsgeschmack zu beweisen, liefert das museumseigene Depot, in dem eine der weltweit größten Sammlungen mit Rembrandt-Radierungen und Zeichnungen "schlummert".

Nun zeigen sie sich gebündelt dem Auge des Betrachters: Selbstporträts, Landschaften und biblische Motive. Darunter sind Naturstudien, die wie eine dramatische Liebeserklärung an niederländische Dünen wirken, mystische Figuren und zentrale religiöse Begegnungen, die - wie der Sündenfall und der Kampf zwischen David und Goliath - symbolträchtig in Szene gesetzt wurden, aber auch fröhliche Momentaufnahmen mit Flötenspielern und Straßenmusikanten.

Dabei ist es vor allem das Spiel mit dem Licht, das fasziniert - genauso wie der durchdringende Blick, mit dem Rembrandt in vielen Selbstporträts den Betrachter zu mustern scheint. Übrigens hat der Meister, der sich so gerne selbst zum Modell nahm, nicht nur Locken, Barett und weit aufgerissene Augen zu bieten. Er zeigt sich mitunter auch mit einem ganz anderen Schmuckstück - mit seiner Frau Saskia.

Wer sagt aber, dass all diese Motive tatsächlich die "schönsten" sind? Was in Haarlem präsentiert wird, wurde nicht etwa im Elfenbeinturm ausgeheckt. Gefragt waren alle, die eine Antwort geben wollten: Eine öffentliche Umfrage stellte die Weichen. Im Internet konnten Kunstliebhaber wählen, welche Werke aus der Rembrandt-Sammlung des Museums ihre Favoriten sind.

Das Ergebnis zeigt nicht nur, dass der Maler ein Meister der Radierung war. Es zeigt auch den allgemeinen Umschwung: Waren in früheren Jahrhunderten vor allem große Szenen wie "Die Auferweckung des Lazarus" gefragt, wurde die spätere Sicht auf Rembrandt vom Impressionismus geprägt. Rembrandt galt den deutschen Impressionisten als Vorbild - hatte er doch eine ganze Reihe vom Selbstbildnissen geschaffen.

So hat es ein Selbstporträt - eine Zeichnung aus dem Jahr 1630 - in Haarlem auch aktuell auf Platz zwei geschafft. Während "Die drei Bäume" (1643) einer bedrohlich großen Wolke trotzen und die kontrastreiche Radierung, die lichtspielerisch die Bedeutungslosigkeit des Menschen gegenüber der Natur zu zeigen scheint, auf Platz drei gewählt wurde, geht es auf der Spitzenposition nicht weniger dramatisch zu. Wenngleich die Szenerie menschlicher wirkt: "Die Rückkehr des verlorenen Sohnes" (1642) ist der "schönste" Rembrandt - wenn man die Abstimmung in Haarlem als Maßstab nimmt. Wer sich ein eigenes Bild machen möchte, kann die Rembrandt-Parade mit den "Top 100" noch bis zum 19. Januar vor den Toren von Amsterdam bewundern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Liebe und Hass in der Vorstadt
Peter Kurth und Peter Schneider ermitteln im „Polizeiruf“ nach einem Kindsmord in Halle/Saale Liebe und Hass in der Vorstadt
Zum Thema
Aus dem Ressort