Düsseldorfer Schauspielhaus: Ibsens „Nora“ mit Texten von Jelinek

Gelungen: Regisseur Parizek schickt im Düsseldorfer Schauspiel Ibsens „Nora“ mit Texten von Jelinek in die Gesellschaft.

Düsseldorf. Nora hat Großes vor. Zugegeben, die Geschichte als Hausfrau und Mutter hat sie aus Liebe vermasselt. Aber jetzt will sie vom Gewöhnlichen zum Außergewöhnlichen, raus aus ihren verwirrten Gefühlen. Nora Helmer, eine Frau, die bei Ibsen Mann und Position aufgegeben hat, pocht auf das Grundrecht zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Sie will ein Mensch werden — und dafür braucht sie Arbeit, eine Anstellung in der Fabrik.

Elfriede Jelinek hat 1979 „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte“ für das Theater geschrieben. Im Düsseldorfer Schauspiel setzt Regisseur Dusan David Parizek dieses Ende an den Anfang. Ein Prolog, dem die sehr gut inszenierte und von Stefanie Reinsperger berührend gespielte Original-„Nora“ folgt. Nach deren tragischem Scheitern als Ehefrau, meldet sich erneut die österreichische Literaturnobelpreisträgerin — mit einem Text, den sie für diese Inszenierung geschrieben hat.

Nora ist heute Teil eines globalisierten Marktes mit menschenverachtenden, kapitalistischen Gesetzen. Auch wenn die Jelinek-typischen Wort-Kaskaden mit allzu moralisierender Wucht auf die Zuschauer prasseln, und das gerade noch fesselnde Schauspiel sehr in den Hintergrund tritt, ist die Uraufführung von „Nora3“ — wie Parizek sein Projekt betitelt hat — ein gut zweistündiger, intelligent gemachter und überzeugend gespielter Theaterabend.

Ein Stück, das den Bogen von privater Emanzipation zur Verantwortung gegenüber in Fernost produzierter Billigware schlägt. Eine Verbindung zwischen persönlicher Freiheit und dem T-Shirt für 9,90 Euro. Parizek mischt den feministischen Jelinek-Ton mit Komik, wenn er anfangs auf einer Versammlung in Noras neuer Fabrik die Rolle der Frau in österreichischem, schweizerischem und süddeutschem Akzent verhandeln lässt.

Die Darsteller debattieren zum Teil im Publikum. Ist die liebende Mutter nur eine Milchkuh? Welche Rolle spielen Liebe und Stolz, wenn man den ganzen Tag an der Maschine steht? Sind Männer und Kinder der echte Teil des Lebens? Für Personalchef Fellner (Rainer Galke) zu viel „Wind wegen der primitivsten Dinge“. In jovialem Tonfall fordert er zu einer Vorführung auf, denn Textilkönig Weygang (Michael Abendroth) will sich in seiner Fabrik umschauen. Als dieser Noras Namen hört, wünscht er sich Ibsens Klassiker. Die Verbindung ist geschaffen.

In einem Guckkasten, einer leblosen Puppenstube, beginnt die Frau sich zu verrenken. Ohne weitere Kulisse führt sie vor Augen, wie ihr Mann sie schindet. Nicht zuletzt die blauen Flecken auf der Haut der Hauptdarstellerin beweisen, mit welchem Einsatz hier Theater gespielt wird.

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