Premiere Ein Ballettabend mit Sektsorbet

Die neue Premiere des Balletts am Rhein bietet einen Tanzabend für Genießer. Das Publikum war völlig begeistert.

Premiere: Ein Ballettabend mit Sektsorbet
Foto: Gert Weigelt

Düsseldorf. Ballettchef Martin Schläpfer hat keine Berührungsängste. Er scheut die Brillanz anderer Künstler nicht. Immerzu lässt er seine Compagnie die großen Choreographen tanzen und zwingt sie in neue Körperlichkeiten. Auf dass sie lernen, die wichtigsten Vokabeln internationaler Tanzgeschichte zu beherrschen. Ein Coup gelang ihm jetzt mit seinem neuen Ballettabend in Düsseldorf, für den er drei Werke großer Meister auf die Bühne holte — William Forsythe, Frederick Ashton, Hans van Manen. Als Dreiklang treiben sie die Huldigung der reinen Bewegungskunst auf die Spitze. Es gibt keine Geschichte, auf die sich der Zuschauer konzen-trieren müsste. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Tanz. Und so kann sich der Tänzer hinter nichts verstecken. Die Figuren müssen sitzen. Eine immense Herausforderung, der sich die Compagnie bravourös stellt. Glanzstück der Vorstellung ist Hans van Manens „Two Gold Variations“.

Der Abend beginnt mit dem ungeheuer dynamischen Stück „Workwithinwork“ von William Forsythe zu den schnörkellosen „Duetti per due Violini“ von Luciano Berio. Der Bühnenraum ist nur so eben ausgeleuchtet. Das Licht fokussiert Oberschenkel und Arme der Tänzer, und es ist, als kreierten ihre Muskeln selbstständig kleinste Fortsetzungen der großen Bilder. Die Tänzer treten zunächst als Paare auf. Einander zugewandt sind sie nicht. Sie wollen Energie loswerden. Unentwegt und in alle Richtungen. Da stört ein Gegenüber nur. Sie schlagen die langgestreckten Beine in die Luft, springen aus dem Stand auf die Spitze und wenn sie gerade zu einer eleganten Arabesque ansetzen, knickt die Hüfte weg.

Forsythe amüsiert sich über das akademische Ballett, kappt dessen pedantische Spitzen und verlängert die hochanspruchsvolle Basis in neue Bewegungsmuster. Dies in atemberaubender Schnelligkeit, welche die Tänzer bewundernswert soldatisch parieren. Als Mittelstück, angelegt wie ein Sektsorbet, das zwischen den Hauptgängen den Geschmack neutralisieren soll, folgt Frederick Ashtons Werk. Er schuf es zu César Francks „Variations Symphoniques“. Eine weltverlorene Gesellschaft versammelt sich in ungedämpftem Licht und schwirrt nahezu tanzduselig über die Bühne. Sechs Märchenfiguren, die aus ihrem Dornröschenschlaf in den Tüll-Schichten eines längst vergessenen Tutu erwacht zu sein scheinen und der wiedergewonnenen Freiheit hinterherjagen. Die stilisierte Entrücktheit mutet arg fremd an und so wirkt die Szene teils unfreiwillig komisch. Ashton hat das 1946 uraufgeführte Stück nach seiner Rückkehr vom Kriegsdienst in der Royal Air Force choreographiert. Wohl als harmonisches Pendant zu der erlebten Wirklichkeit.

Der Ballettabend endet mit dem betörenden „Two Gold Variations“ von Hans van Manen, dem Poeten unter den Choreographen. Die Tänzer tragen glitzernde Einteiler und bunte, zarte Hemdchen. Ihre Pirouetten öffnen sich weit zum Publikum und fordern lustvoll zu Umarmungen auf. Vehement streiten Paare wie in einer Arena um Dominanz und Unterwerfung. Männer packen Frauen brutal beim Nacken und werfen sie vor und zurück. Frauen ballen die Fäuste wie Boxer, um ihre Finger im nächsten Moment kokett zu spreizen. Ein Battle klassischer Tanzkunst, erotisch, verführerisch, aggressiv. Die Compagnie nimmt das Stück des Niederländers an wie ein Geschenk und schmiegt es eng an sich. Mit van Manen kennt sie sich aus. Und auch dieser sitzt wieder wie angegossen.

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