Experte: Mehr Fingerspitzengefühl bei DDR-Bauten

Erkner (dpa) - Im Umgang mit dem architektonischen Erbe der DDR ist nach Expertenmeinung mehr Fingerspitzengefühl gefragt.

Wenn im Osten Deutschlands prominente Gebäude abgerissen, vernachlässigt oder durch unsensiblen Umbau „entstellt“ würden, gingen auch der Charakter des Umfeldes und ein Stück Identität von Menschen verloren, sagte Architekturhistoriker Andreas Butter der Nachrichtenagentur dpa. „Die Debatten entzünden sich immer wieder neu.“

Welche Strategien Baudenkmalpfleger für einen behutsamen Umgang mit solchen Gebäuden entwickeln können, ist am Donnerstag Thema einer Podiumsdiskussion auf einer zweitägigen Konferenz mit Fachleuten in Erkner (Oder-Spree) bei Berlin. Rund 90 Wissenschaftler, Politiker und Besucher aus ganz Deutschland würden dort im Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) erwartet, sagte IRS-Mitarbeiter Butter.

„Das Thema ist schon seit 20 Jahren aktuell“ - und werde mit jedem Abriss wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Die Reaktionen in der Bevölkerung seien beim Verschwinden bedeutender DDR-Bauten häufig emotional und reichten von Häme bis zu persönlicher Verletzung. „Das sind die Extreme.“ Das gelte nicht nur für den Abriss des Palastes der Republik in Berlin, der hohe Wellen geschlagen hatte, sondern etwa auch mit Blick auf den Umgang mit der Prager Straße und dem Kulturpalast in Dresden.

In den Debatten gehe es um Ideologie, Identität, architektonische Qualität, Städtebau - und Geld. „Verlust ist nicht immer nur Abriss, sondern in vielen Fällen auch Vernachlässigung oder Nichtnutzung eines Gebäudes“, betonte Butter. Heute werde Denkmalschutz nicht selten als „elitärer Luxus“ betrachtet. „Denkmalschutz ist jedoch ein Instrument zur historischen Vergewisserung einer Gesellschaft.“

Um den Charakter von Bauten zu erhalten, müssten beispielsweise die Proportionen von Neubauten angepasst werden, forderte Butter. Zudem sollten die oft weiten Freiräume rund um bestehende, bedeutende Gebäude mit Respekt für den Bestand entwickelt werden. „Architektur der Moderne in Ostdeutschland hatte immer einen hohen Anspruch an städtebauliche Geltung.“ Auch müsse genau überlegt werden, ob ein Neubau auch tatsächlich günstiger als ein Abriss sei. „Hier werden oft auch Projekte schön geredet.“

Aus Sicht von Butter ebenfalls unverzichtbar: bürgerschaftliches Engagement. So sei es nicht zuletzt wegen des Einsatzes von Studenten und Fachleuten gelungen, die Mensa der Bauhaus-Universität in Weimar zu retten. „Die unbequeme Öffentlichkeit ist wichtig.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Liebe und Hass in der Vorstadt
Peter Kurth und Peter Schneider ermitteln im „Polizeiruf“ nach einem Kindsmord in Halle/Saale Liebe und Hass in der Vorstadt
Zum Thema
Aus dem Ressort