Eine schwierige Zeitreise: Film über Hannah Arendt

Luxemburg (dpa) - Schon das nachgebaute Apartment von Hannah Arendt in New York zeigt, was sie war: eine große Intellektuelle. Das Wohnzimmer steht voller Bücherregale, auf dem Tisch stapeln sich Manuskripte, Goethes Werke und lateinische Sprachtexte.

„Ich finde es faszinierend, eine Frau zu spielen, die immer den Mut hatte, ihren Verstand zu nutzen“, sagt die Schauspielerin Barbara Sukowa (61), die die Hauptrolle im ersten Kinofilm über die deutsch-jüdische Philosophin Hannah Arendt (1906-1975) spielt, am Donnerstag am Drehort im luxemburgischen Bascharage.

Keine leichte Kost, die der in Nordrhein-Westfalen, Jerusalem, New York und in Luxemburg gedrehte Film bereitet. Nimmt er doch Arendts Zeit im New Yorker Exil und ihre Berichterstattung über den Prozess gegen Adolf Eichmann, einen Mitverantwortlichen des Holocaust, in den Fokus.

„Es war bestimmt der schwierigste Film, den ich je gemacht habe“, sagte Regisseurin Margarethe von Trotta (69). „Weil man einen Menschen beim Denken beschreiben muss.“ Es sei aber auch einer ihrer bedeutendsten. „Hannah Arendt war sicherlich eine der wichtigsten Intellektuellen des vorigen Jahrhunderts“.

Arendts Artikel-Serie über den Eichmann-Prozess 1961 in Jerusalem hatte weltweit eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Aus ihren Berichten wurde klar, dass sie Eichmann nicht für ein Monster hielt, sondern für einen Schreibtischtäter, „der aus einem unreflektierten Mix aus Gehorsam und Gedankenlosigkeit Millionen Menschen in die Gaskammern transportierte“, sagte von Trotta. Für ihre Ansicht habe man Arendt geächtet und angefeindet. Arendt hatte damals den Begriff von der „Banalität des Bösen“ geprägt.

Die Dreharbeiten enden am 17. Dezember. Der von „Heimatfilm“ produzierte Film soll im Oktober 2012 in die deutschen Kinos kommen. „Arendt hat wahnsinnig aktuell gedacht“, sagte Produzentin Bettina Brokemper. „Kompromisslos und unerschrocken“. Und sie habe letztlich einen Baustein für die Schaffung des Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag gelegt - stellte sie doch die Frage, ob ein Prozess in Israel gegen Eichmann ideal war. Der Film mit einem Budget von 6,5 Millionen Euro diene auch dazu, „dass Arendt nicht vergessen wird“, sagte Brokemper von „Heimatfilm“.

In Jerusalem wurde sogar in jenem Gerichtssaal gedreht, in dem Eichmann zum Tode verurteilt wurde. Und historische Filmaufnahmen zeigen im Film mit dem Arbeitstitel „Hannah Arendt“ den „wahren Eichmann“. „Kein Schauspieler könnte diese Authentizität erreichen“, sagte Brokemper. „Ich fand es unglaublich spannend, an jenem Ort zu drehen“, sagte Sukowa.

In weiteren Rollen spielen Axel Milberg, Julia Jentsch, Ulrich Noethen und Michael Degen. „Der Film ist kein intellektuelles Spiel für Eingeweihte oder Bildungsgeraschel in alten Büchern, sondern zeigt das Insistieren auf selbstständiges Denken“, sagte Milberg, der Arendts Ehemann Heinrich Blücher spielt. „Autonomes Denken war 1933 wichtig, ist aber auch 2012 wichtig.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort