Halbzeit beim Filmfestival Locarno

Locarno (dpa) - Das 65. Internationale Filmfestival von Locarno glänzt mit einem starken Filmangebot und vielen Stars, wie Alain Delon, Ornella Muti oder Alexandra Maria Lara.

Im internationalen Wettbewerb von 19 Spiel- und Dokumentarfilmen gilt zur Halbzeit bei vielen Festivalbesuchern die englisch-deutsch-australische Koproduktion „Berberian Sound Studio“ als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für den Hauptpreis, den Goldenen Leoparden.

Der britische Regisseur Peter Strickland erzählt die Geschichte eines Toningenieurs, der an einem Horrorfilm mitarbeitet. Ihn spielt der 2006 durch die Verkörperung von Truman Capote in „Infamous“ (USA) bekanntgewordene Londoner Bühnenstar Toby Jones. Das Drama des Mannes, der sich im Tonstudio im Wahn verliert, illustriert effektvoll die Bedrohung des Einzelnen durch eine Umwelt, die er nicht begreift. Damit wird der ohne gängige Schockszenen auskommende Film zum Spiegel der bürgerlichen Gesellschaft.

Die scharf konturierte Reflexion des Alltags in der westlichen Welt hat sich in der ersten Hälfte des Festivals als wesentliches Thema herauskristallisiert. Dabei fällt auf, dass exzellente Schauspieler den Filmen eine starke Wirkung verleihen. Die deutschen Stars Alexandra Maria Lara und Sebastian Blomberg hatten mit der schweizer-deutschen Koproduktion „Nachtlärm“ einen schönen Erfolg auf der Piazza Grande. Dorthin kommen allabendlich selbst bei Regen Tausende zu den Vorführungen von Filmen, die außerhalb des Wettbewerbs laufen.

Unter der Regie des Schweizers Christoph Schaub spielen Lara und Blomberg in dem originellen Roadmovie die von Angst getriebenen Eltern eines versehentlich entführten Babys. Ihre differenzierten Darstellungen geben dem Film eine große Intensität und lenken den Blick auf die der bizarren Geschichte innewohnende Auseinandersetzung mit einer Gesellschaft, die vor allem von materiellen Bedürfnissen geprägt wird. Nach der deutsch-australisch-englischen Koproduktion „Lore“, die zu Festivalbeginn lief, landeten deutsche Filmkünstler damit einen zweiten runden Erfolg außerhalb des Wettbewerbs.

Gesprächsthema Nummer eins auf dem Festival ist bisher der in der Sektion „Woche der Kritik“ gezeigte deutsche Dokumentarfilm „Vergiss mein nicht“. Regisseur David Sieveking porträtiert darin mit äußerstem Feingefühl, in ausgewogener Balance von Nähe und Distanz, seine an Demenz erkrankte 73-jährige Mutter. Die Sensibilität, der Humor und die weit über den Einzelfall weisende Intensität machen den Film zu einem Ereignis und lassen auf eine Auszeichnung mit dem Preis für den besten Film der Sektion hoffen.

Aus dem weiteren Angebot ragt das im Piazza-Programm gezeigte französische Kammerspiel „Quelques Heures de Printemps“ („Ein paar Stunden Frühling“) heraus. Regisseur Stéphane Brizé („Mademoiselle Chambon“) erzählt ein packendes Mutter-Sohn-Drama, das in eine facettenreiche Auseinandersetzung mit dem umstrittenen Thema Sterbehilfe mündet. Auch hier begeistern in Hélène Vincent und Vincent Lindon brillante Schauspieler in den Hauptrollen.

Insgesamt laufen bis zum Festival-Ende rund 300 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme. Zum Abschluss werden am Samstagabend (11. August) der Goldene Leopard und die anderen Preise während einer Gala auf der Piazza Grande von Locarno, dem malerischen Marktplatz des Touristenortes im Schweizer Kanton Tessin, verliehen.

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