Der Mythos RAF

Uli Edel, Regisseur von „Der Baader Meinhof Komplex“, über seine 68er-Erfahrungen.

Herr Edel, als Sie mit der Arbeit an "Der Baader Meinhof Komplex" begannen, was war Ihnen das größte Anliegen?

Uli Edel: Ich wollte in erster Linie meinen Söhnen von dieser Zeit erzählen. Sie sind jetzt 20 und 21, so alt wie ich, als Rudi Dutschke niedergeschossen wurde.

Edel: Es war ein Wechselbad der Gefühle. Man hatte schon den Eindruck, dass die Rechte versuchte, alles, was links war, im Keime zu ersticken. Man darf dabei nicht vergessen, dass 1968 nicht nur von den Studentenprotesten geprägt war. Sieben Tage vor dem Attentat auf Dutschke wurde Martin Luther King erschossen, sechs Wochen danach dann Robert Kennedy, und der Vietnam-Krieg dauerte an.

Edel: Natürlich. Nicht nur ich habe mit ihnen sympathisiert, eine große Zahl an Jugendlichen dachte, da sind welche, die lassen sich nicht alles gefallen. Als dann 1970 Baader befreit wurde - die Aktion, bei der Ulrike Meinhof endgültig in die Illegalität abtauchte -, das war schon etwas, was uns Respekt abverlangt hat.

Edel: Der Kaufhausbrand, 1968 in Frankfurt, das wurde wie ein Happening wahrgenommen. Der Regisseur Klaus Lemke hat daraus direkt einen Film gemacht. Baader und Ensslin waren einfach sehr populäre Figuren, die sich selbst auch als Teil einer Inszenierung gesehen haben.

Edel: Die Frage wurde ja damals oft gestellt, ob man die Türe für ein Mitglied der Baader-Meinhof-Gruppe öffnen würde. Wahrscheinlich hätte ich das auch getan.

Edel: Der Moment kam 1972, als die ersten Bomben fielen. Die Aktionen in den amerikanischen Armeestützpunkten in Heidelberg und Frankfurt hatten für mich etwas Feiges, Hinterhältiges. Da fing die große Verunsicherung an, und das wollte ich auch zeigen. Als Tote auf der Straße lagen, war plötzlich alles fort. Es war wie eine große Ernüchterung, wie ein grausames Erwachen.

Edel: Es klingt momentan so, als hätte ich mit dem Film die Diskussion beenden wollen. Was nicht stimmt. Ich wollte eine Diskussion entfachen. Man darf bei der ganzen Geschichte den Finger auch nicht nur auf die RAF richten. Es wurden auch von Staatsseite große Fehler gemacht. Auch da war man nicht zimperlich mit Menschenleben.

Edel: So würde ich das nicht nennen. Aber wir haben vieles nicht verarbeitet, sondern einfach nur verdrängt. Von den zehn Morden, die von der dritten RAF-Generation begangen wurden, 1977 bis 1998, ist nur ein einziger Fall geklärt. Was ist daran abgeschlossen? Wer hat Interesse, das alles unter den Teppich des Vergessens zu kehren?

Edel: Ja, natürlich, das hat mit den Generationen zu tun. Die kannten vielleicht Namen wie Buback und Schleyer, aber über die Baader-Meinhof-Gruppe wussten viele überraschend wenig. Es ist ja auch etwas, das in den Schulen nicht unbedingt auf dem Lehrplan steht. Obwohl es ganz eindeutig die größte Nachkriegstragödie auf deutschem Boden war.

Edel: Nein, es überrascht mich aber. Ich habe ja immer noch meine früheren Spartakistenfreunde, die heute Lehrer sind und an Gymnasien unterrichten. Sie haben auch keine richtige Antwort. Ich hoffe, dass der Film da eine Lücke füllen kann.

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