Drama: "Schwesterherz" - Von der Leere nach dem Jungsein

Das Drehbuch zu "Schwesterherz" hat die Hauptdarstellerin Makatsch mit der Journalistin Johanna Adorján geschrieben.

Düsseldorf. "Du mit deinem wogenden Busen und deiner Natürlichkeit." Mit voller Wucht knallt Anne ihrer jüngeren Schwester Marie die abschätzigen Worte um die Ohren. Der betroffene Blick der 18-Jährigen schlägt sprachlos zurück. Was treibt die 33-Jährige zu diesen Gemeinheiten? Musikmanagerin Anne (Heike Makatsch) hat sich eine entspannte Ferienwoche an der spanischen Küste gewünscht: Zum Runterkommen vom Agenturstress, zum Kennenlernen der kleinen Schwester (Anna Maria Mühe), von der sie eigentlich nichts weiß. Nur dass sie Brunnenbau studieren und in die Entwicklungshilfe gehen will. Und dass ihr Speck in der Nudelsoße - im Gegensatz zu ihr selbst - keine Kalorien-Sorgen bereitet. Das Drehbuch zu "Schwesterherz" hat die Hauptdarstellerin Makatsch mit der Journalistin Johanna Adorján geschrieben. In den Dialogen zeigt sich die Stärke dieses Films. Sehr genau treffen die beiden den Ton einer Frauen-Generation, die nicht weiß, was nach dem Jungsein kommen könnte: Wie man in einer WG mit Teppichböden und Raufasertapeten leben kann, ist Anne ebenso unbegreiflich, wie ein Tag ohne ihr Mobiltelefon. Zwischen abgeklärter Arroganz und hysterischer Hilflosigkeit liegt nur ein schmaler Grat. Hinter der Fassade trendiger Klamotten zeigt sich eine Leere, die besonders gut im Kontrast zur jüngeren Marie hervorscheint. Es wurmt und schmerzt Anne, wie unbefangen die 18-Jährige Spaß haben kann mit den beiden gleichaltrigen Urlaubern Max (Sebastian Urzendowsky) und Matze (Ludwig Trepte). Hier geht es nicht um Drogen oder schnellen Sex, sondern um romantische Bande und sorgenfreies Genießen. Die Frau, die alles im Griff haben will, steht außen vor - im Urlaub genauso wie im Leben daheim: In der Agentur drängen Nachkömmlinge auf ihren Platz, ihr Freund reagiert auf keine ihrer Mailbox-Nachrichten. Plötzlich ist Anne allein. Allein auch mit dem Wissen, dass sie eine Entscheidung treffen muss. Anne ist schwanger. Sie hat einen Termin für die Abtreibung bereits abgemacht, ohne mit ihrem Freund über die Sache geredet zu haben. Ihr Frust droht sie zu ersticken. Regisseur Ed Herzog, der Makatsch bereits in "Almost Heaven" in Szene setzte, spitzt die Geschichte immer weiter zu: Blickt die Kamera zunächst scheinbar dokumentarisch auf beide Frauen, verengt sich der Fokus zunehmend auf die Sicht der haltlosen Anne. Bilder verschwimmen, bekommen einen immer subjektiveren, beklemmenden Charakter. Sehr authentisch und gar nicht kitschig findet Anne einen Weg, der mehr Richtungen als das Mutterglück offen lässt. (WZ-Wertung: 5 von 5 Sternen)


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