Julia: Eine Säuferin scheitert als Kindesentführerin

Tilda Swinton brilliert als Alkoholikerin „Julia“. Doch das Drehbuch spielt gegen sie.

Düsseldorf. Die Sonne verbrennt ihre weiße Haut. Die Zunge klebt Julia im Mund, sie blinzelt mürrisch den komatösen Schlaf aus den Augen. Diese Frau um die 40 erträgt das Licht nicht; sie erträgt das Leben nicht.

Ein paar Stunden zuvor sah das noch ganz anders aus: Mit genügend Drinks intus umstöckelte sie am Tresen ihre Opfer. Bewies sich und den Männern, dass da noch was geht.

Doch eigentlich geht in ihrem Leben nichts mehr. Sie hat kein Geld, verliert ihren Job, und auch ihren besten Freund will sie nicht mehr um sich. Denn Julia säuft und hat auch nicht vor damit aufzuhören.

Tilda Swinton zeigt gleich zu Beginn, dass "Julia" über Grenzen des Erträglichen hinweg torkelt. Ihren schlechten Atem kann man förmlich riechen, die billigen Fummel auf der ungewaschenen Haut fühlen. Doch gleichzeitig gelingt es ihr, den Zuschauer für diese Frau einzunehmen.

Ihr zu folgen in diese abstruse Geschichte, die sich Erick Zonca und Aude Py haben einfallen lassen. Der französische Regisseur Zonca baut auf seinen Schauspielstar, lässt alles um ihn kreisen. Swinton, die für ihre großartige Darstellung in "Michael Clayton" mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, verleiht auch "Julia" eine Klasse, die der Film ohne sie niemals haben würde.

Denn die Story dreht Volten, die man schon bald nicht mehr nachvollziehen möchte. Julia versucht, sich mit einer Kindesentführung aus ihrer misslichen Lage zu befreien.

Das Geld lockt sie, Mitleid mit dem zehnjährigen Tom (Aidan Gould) kennt sie nicht. In billigen Motels kettet sie ihn an den Heizkörper, sperrt ihn in die Dusche.

Doch wie immer in Julias Leben geht alles total schief. Zusammen mit dem Jungen flieht sie nach Mexiko. Einen Augenblick lang scheint es, als könnten Tom und Julia im anderen das finden, was ihnen im Leben fehlt.

Dann geraten sie selbst in die Fänge einer Entführerbande, die ebenso dilettantisch vorgeht wie Julia. Jeder versucht nun jeden auszutricksen, um die eigene Haut zu retten und mit dem Lösegeld in ein anderes Leben zu fliehen.

Dass hier niemand als Sieger herausgehen wird, ist schon bald klar. Dennoch ärgert man sich über Fehler im Drehbuch, über logische Brüche und klischee-strapazierende Charakterzeichnungen. Schade, bei der Glanzleistung dieser Lichtgestalt Tilda Swinton.

Wertung: 3 von 5 Sternen

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