Sex and the City: Shopping statt Sex im Alter?

Die TV-Serie „Sex And The City“ war eine Provokation. Im Kino bleibt davon nicht viel übrig.

Düsseldorf. Am jenem Tag im Dezember 2004, als die letzte Folge von "Sex And The City" im Fernsehen lief, hatten nicht nur unzählige Frauen Tränen in den Augen. Auch die Männer schluchzten, mussten sie sich doch von der lieb gewonnenen Gewohnheit verabschieden, den Dienstagabend zur freien Verfügung zu haben.

Während die Damen sich vor den TV-Geräten zusammenrotteten, um bei Prosecco und fettarmen Chips die neuesten Entwicklungen im Liebesleben von Carrie und KonsortInnen zu verfolgen, bastelten die Herren der Schöpfung an ihren Computern, trafen sich mit ihren Kumpels zum Bier oder spielten Tennis - um danach ein Bier zu trinken.

Drei Jahre, von 2001 bis 2004, dauerte dieser glückselige Zustand in Deutschland an. Spät hatte ProSieben den amerikanischen Serien-Hit ins Programm genommen, der in den USA bereits im Sommer 1998 erstmals auf Sendung gegangen war. Für den dortigen Bezahlsender HBO wurde es die erste eigenproduzierte Serie, die Quotensphären durchbrach, in denen sich sonst nur die Formate der frei empfangbaren Netzwerke bewegten.

Der Grund für diesen Erfolg war einfach: "Sex And The City" brach mit jedem Tabu, das im prüden Amerika das Fernsehprogramm zur keimfreien Zone machte. Die vier Protagonistinnen, allesamt Mitte 30, spiegelten in geschickt konstruierten Episoden, später in einem folgenübergreifenden Plot, die seelischen und hormonellen Nöte selbst erklärter Karrierefrauen im Haifischbecken lüsterner Großstadt-Singles wider.

Es war allerdings weniger die erstaunlich freizügige Darstellung sexueller Stellungskriege, die das christlich keusche Bürgertum bass erstaunen ließ. Es waren vor allem die Gespräche zwischen Carrie Bradshaw und ihren besten Freundinnen Samantha, Charlotte und Miranda, die zu lautstarken Proteststürmen auf der einen und befreiten Lachsalven auf der anderen Seite führten.

Monatelang fragten sich Magazine und Zeitungen, ob Frauen im männerbefreiten Mikrokosmos eines Plauschs tatsächlich dermaßen unverblümt die nicht druckfähigen umgangssprachlichen Begriffe für Penis, Vagina und Kopulation in den Mund nehmen, wie es die Serie skizzierte. Die Antwort war: Natürlich! Die Gegenfrage: Warum auch nicht?

Dieses lustvolle Ausloten der Schamgrenze machte "Sex And The City" zu einem der großen Phänomene der Jahrtausendwende. Auch hierzulande wurde das neurosengeplagte Yuppie-Kleeblatt zum Kult, Hauptdarstellerin Sarah Jessica Parker avancierte mit der unkonventionellen Kleidungswahl, die man ihrer Figur in der Serie angedeihen ließ, zur Stilikone.

Doch nicht nur die Zuschauer liebten das erotisch-absurde Ränkespiel. Auch die Kritik war euphorisiert. Das lag vor allem an der geschmackssicheren und hochwertigen Inszenierung sowie den intelligenten Drehbüchern, die die Serie nie dem Voyeurismus preisgaben.

Wie bei jedem Zeitgeistprodukt provozierte der lang anhaltende Erfolg endlose Analysen, inwieweit die selbstbewusste Vielmännerei eine Stufe weiblicher Emanzipation darstelle. Eine schlüssige Antwort blieben diese unangemessenen Verklärungsansätze schuldig.

Tatsächlich ist es schwer nachvollziehbar, wie konsum-, marken- und triebgesteuerte Frauen als Bewusstwerdungsmodelle herhalten sollen. Carrie etwa, anfangs noch eine Gelegenheitsautorin, konnte sich ihr Appartement in Manhattan gerade mal so leisten, rannte aber trotzdem unentwegt in sündhaft teuren Designer-Fummeln rum, als ob ein Einkauf in der Konfektionswarenabteilung von Macy’s einem gesellschaftlichen Freitod gleich käme. Mutig war daran nur das politisch unkorrekte Bekenntnis zur Oberflächlichkeit.

Was genau den Reiz von "Sex And The City" ausmachte, zeigt nun, vier Jahre nach dem Ende, der Film, indem er das stilbildende Element der kalkulierten Provokation ausblendet. Nicht etwa, weil die Autoren sich nichts mehr getraut hätten, sondern weil sie die Charaktere zu Ende gedacht haben. Mit festen Beziehungen werden auch die Gespräche bodenständig.

Vamp Samantha darf zwar den Nachbarn ausgehungert beim Liebesspiel begaffen. Ansonsten sind die Damen größtenteils bei Ersatzbefriedigungen angekommen. Bleibt die Frage: Ist Shopping der Sex des Alters?

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