Tarantinos „Django Unchained“: Gekämpft wird, bis einer tot ist

Quentin Tarantino liefert mit „Django Unchained“ eine clevere Aufarbeitung der US-Sklavenzeit — rutscht gegen Ende aber leider ab.

Düsseldorf. Es gibt viele Gründe, diesen Film zu mögen. Vielleicht sogar in Gedanken den Hut zu ziehen vor einem Regisseur, der es schafft, sein Publikum nie zu langweilen, es mit jeder neuen Szene zu überraschen, dabei intellektuell zu fordern — aber eben manchmal auch zu überanstrengen.

So wie bei „Django Unchained“, der, so viel kann man vorwegschicken, Quentin Tarantinos bester Film geworden wäre, wenn der 49-jährige Querkopf gegen Ende nicht wieder mehr sein wollte als einfach ein genialer Filmemacher.

Es beginnt 1858 in Texas, der Bürgerkrieg steht noch bevor, die Sklavenbefreiung ist nur graue Theorie. Der Zahnarzt King Schultz (Christoph Waltz) aus Düsseldorf arbeitet als Kopfgeldjäger, er jagt die Brittle Brothers. Auf der Farm, auf der sie vor ihrem Verschwinden Aufseher waren, hat auch der versklavte Django (Jamie Foxx) gearbeitet.

Schultz, der nach Amerika gekommen ist, um ein besseres Land zu finden als das monarchisch geprägte Europa, hat sich dem Faustrecht seiner neuen Heimat zwar opportunistisch angepasst, verachtet aber die Unterdrückung anderer Menschen. Er kauft Django frei, zunächst nur, um seinen Auftrag erledigen zu können. Später wird er ihm helfen, seine Frau wiederzufinden, die an den sadistischen Großgrundbesitzer Candie (Leonardo DiCaprio) verkauft wurde.

Auch Tarantinos neuestes Werk strotzt wieder vor cleveren Filmzitaten, grandiosen Dialogen über scheinbare Belanglosigkeiten und irrwitzigen Gewaltausbrüchen, die mehr sind als bloßer Schauwert. Mit diesen Exzessen findet er eine drastische Bildsprache für das geschichtlich verbürgte Grauen: Candie veranstaltet sogenannte Mandigo-Kämpfe, bei denen er Sklaven gegeneinander antreten lässt.

Erlaubt ist alles, gekämpft wird, bis einer tot ist. Wie DiCaprio seinen Matador anstachelt, ihm Tipps zubrüllt, wie er den Gegner ausschalten kann, und ihm nach knochenberstendem Finale wohlwollend auf die blutige Schulter klopft wie einem geifernden Pitbull, ist Wahnsinn. Blanker Wahnsinn. Und der einzig legitime Weg, die Sklaverei als historische Schuld der USA zu illustrieren.

Tarantino folgt dabei dem Muster, das schon bei seinem letzten Film „Inglourious Basterds“ (2009) zugrunde lag. Damals überkam die Nazis der gerechte Zorn der Opfer. Diesmal müssen die Herrenmenschen aus dem schwülen Süden der Neuen Welt dran glauben. Die Bandbreite, mit der Tarantino menschlichen Fanatismus beleuchtet, ist enorm.

Wie Django tatenlos zusehen muss, als ein Sklave von Hunden zerfleischt wird, nur um vor Candie nicht aufzufliegen, verstört als große Tragödie. Das Zwiegespräch einer Ku-Klux-Klan-Gruppe über den Tragekomfort ihrer Kapuzen glänzt als formvollendete Groteske im Stile Monty Pythons.

Dann ist da noch Christoph Waltz, der mit seinem Spiel alles um sich herum überstrahlt, und das, obwohl DiCaprio und Samuel L. Jackson als der noch fanatischere Haussklave von Candie Glanzleistungen abliefern. Dass sein King Schultz noch einen Deut mehr heraussticht, ist Waltz’ Fähigkeit zu verdanken, einer Karikatur Menschlichkeit verleihen zu können. Das hat ihm schon für seinen Standartenführer Landa in „Inglourious Basterds“ einen Oscar beschert. Und die Chancen stehen nach seinem Golden-Globe-Triumph am vergangenen Sonntag gut, dass er dieses Kunststück Ende Februar wiederholt.

Tarantino hingegen darf „nur“ auf einen Oscar fürs Drehbuch hoffen. In der Regie-Kategorie wurde er nicht nominiert. Eine weise Entscheidung. Denn wie er all die spannungsgeladene Wahrhaftigkeit der ersten beiden Stunden mit einem uninspirierten Epilog abschwächt, in dem Django ein unausgegorenes Blutbad anrichtet, ist ärgerlich.

Kurz bevor die Gewalt sinnlos wird, sagt Waltz mit seiner zungenschnalzenden Süffisanz: „Ich konnte einfach nicht widerstehen!“ Tarantino ging es da genauso. Beide hätten es einfach gut sein lassen sollen.

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