Türkisch für Anfänger: Absturz ins Dschungelcamp

Der TV-Serie „Türkisch für Anfänger“ bekommt der Sprung auf die große Leinwand nicht.

Die ARD-Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“ blieb zwar von den Quoten her immer ein wenig hinter den Erwartungen zurück. Aber die Produktion um die deutsch-türkische Patchwork-Familie Schneider-Öztürk erarbeitete sich in drei Staffeln einen gewissen Kultstatus, wurde erfolgreich ins Ausland verkauft und heimste kräftig Lob und Auszeichnungen ein. Als erste deutsche Fernsehserie setzt „Türkisch für Anfänger“ nun zum Sprung auf die große Leinwand an.

Das Modell hat sich bei US-Serien wie „Sex and the City“ finanziell prima bewährt. Da der Stoff nach 52 Folgen aber nur noch wenig neue Entwicklungsmöglichkeiten bietet, spult Drehbuchautor Bora Dagtekin, der hier sein Debüt als Regisseur gibt, alles zurück auf Anfang und lässt die Schneiders und die Öztürks fürs Kino neu aufeinandertreffen.

Dafür steckt er alle Teilnehmer in einen Urlaubsflug nach Thailand: die anti-autoritär erzogene und sehr schlagfertige Lena (Josefine Preuß), deren flippige Mutter und Orgasmuskurslehrerin Doris (Anna Stieblich), den breitbeinigen Möchtegern-Rapper Cem (Elyas M’Barek), dessen streng muslimische Schwester Yagmur (Pegah Ferydoni), Vater Metin Öztürk (Adnan Maral) und den stotternden Griechen Costa (Arnel Taci).

Bei einem Flugzeugabsturz landet die multikulturell durchmischte Jugend auf einer verlassenen Insel, während Vater Öztürk und Mutter Schneider gerettet und ins Urlaubsdomizil gebracht werden.

In Robinson-Crusoe-Manier erforschen die Gestrandeten die ehemalige Kannibalen-Insel, wobei sich Cem als Leithammel aufspielt, was die Freizeitfeministin Lena zu zahlreichen sarkastischen Bemerkungen aus dem Off und zu direkter Konfrontation mit dem Alpha-Tier provoziert.

Und so wird kräftig hin- und hergezickt, aber spätestens als Lena den nackten Cem unter dem Wasserfall erblickt, übernehmen die Hormone das Kommando. Parallel zum pubertären Ränkespiel arbeiten Doris und Metin im Hotel intensiv an der deutsch-türkischen Verständigung.

Wie die TV-Serie trumpft auch die Kinoversion mit einem politisch unkorrekten Gagfeuerwerk auf. Im Stakkato werden in der ersten halben Stunde die Pointen abgeschossen, wobei hier die Quantität in deutlichem Gegensatz zur Qualität der Witze steht. Anders als im Fernsehen, das mit einer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne arbeitet, ermüdet der Dauerbeschuss in der konzentrierten Kinowahrnehmung zunehmend.

Der größte Fehler der Leinwandversion ist jedoch, dass die Figuren aus ihrem sozialen Kontext gelöst und in ein Dschungelcamp-Ambiente hineingeworfen werden. Die unoriginelle Idee führt dazu, dass den Figuren sich in ihrer eigenen Stereotypisierung erschöpfen.

Die schicke Tropenkulisse sorgt zwar für kinotaugliche Bacardi-Werbebilder, aber vom Aufeinanderprallen der Kulturen, der die Serie so erfolgreich gemacht hat, bleibt in dieser neutralen Zone kaum etwas übrig. Stattdessen wird ein unoriginelles Balzritual zwischen dem Supermacho mit dem weichen Kern und der Oberzicke mit dem großen Herzen in Gang gebracht. Und das verliert nach ein paar gelungenen Verbalparaden über die 110 Kinominuten ganz schnell die dramaturgische Spannkraft.

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