Klamotte aus Holland: „New Kids Nitro“

Amsterdam (dpa) - Holland statt Hollywood: Mit Brachialhumor stürmte „New Kids Turbo“ im Frühjahr 2011 die deutschen Charts. Jetzt folgt mit „New Kids Nitro“ der zweite Streich - und die Dumpfheit triumphiert wieder.

Vorsicht! Es wird sehr ordinär. Und das soll so. Witze mit Behinderten? Sex vor laufender Kamera mit einer schwangeren, biersüchtigen Supermarktverkäuferin? Aufrechte Friesen als Zombies veräppeln? All das und noch viel mehr. Nur eines scheint es in der rabenschwarzen holländischen Proll-Klamotte „New Kids Nitro“ nicht zu geben: irgendwelche Hemmungen oder Tabus.

Nun kommt der Film um die Abenteuer von Richard, Gerrie, Robbie, Rikkert und Barrie in die deutschen Kinos. Wahrscheinlich werden die ständig Aldi-Bier saufenden Sozialhilfe-Fälle erneut und im Handumdrehen an die Spitze der Charts vorstoßen. Schließlich geht es in „Nitro“ noch brutaler, blutiger und blöder zu als in „New Kids Turbo“.

Als dieser erste Streich der Drehbuchautoren und Regisseure Steffen Haars und Flip van der Kuil im vergangenen Frühjahr auf Anhieb die deutsche Kino-Hitparade eroberte, rieben sich manche die Augen. Holland statt Hollywood, Prollkult statt Poesie? Rasch war klar, dass Manta-Manie und die Vokuhila-Welle vielleicht ein wenig in Vergessenheit geraten, aber im Unterbewusstsein weiter Teile der Bevölkerung noch stark verankert waren.

Jetzt also der nächste Anschlag auf das, was Bildungsbürger für guten Geschmack halten mögen. Grellgrün ist der tiefgelegte Manta. Mit dem fahren die „Jongen“ aus dem längst berühmten Dorf Maaskantje erst illegale Autorennen und dann - nach Umbau zum Panzer - auf Bitten des Haager Verteidigungsministeriums Richtung Norden in den Krieg.

In der niederländischen Provinz Friesland hat ein Meteoriteneinschlag dazu geführt, dass all die harmlosen Milchbauern und Fischer zu brandgefährlichen Zombies wurden. Blut spritzt in rauen Mengen - auch immer wieder auf die stolze Fahne der Friesen, denen die Holländer, wie es scheint, schon lange mal kräftig einen mitgeben wollten. Ein blutiger Stunt jagt den anderen, auf jede Gemeinheit folgt eine noch fiesere. Kritiker haben dafür den Begriff „Anarcho-Humor“ erfunden.

Zu den erstaunlich wenigen Menschen in den Niederlanden, die darüber nicht so richtig lachen können, gehören Einwohner des Dörfchens Maaskantje. Von dort stammen die beiden Filmemacher, und zum Leidwesen ihrer einstigen Nachbarn haben sie Maaskantje zum Film-Heimatort ihrer fünf Blödelbarden erkoren. Seit „New Kids Turbo“ sind Maaskantje und vor allem die nahe gelegene Frittenbude „'t Pleintje“ (das Plätzchen) zum Wallfahrtsort für New-Kids-Fans geworden.

„Die Leute kommen von Deutschland, Belgien, Frankreich, von überall, und saufen hier Bier auf der Straße“, schimpft eine betagte Anwohnerin. Wieder und wieder wurde das Ortseingangsschild geklaut. Bis die Gemeinde beschloss, vorerst kein neues mehr aufzustellen. Auch in der Hoffnung, die Fans würden das unscheinbare Dorf - es gehört zusammen mit Den Dungen zur Gemeinde Sint-Michielsgestel - dann vielleicht nicht mehr finden.

Dieser Wunsch hat sich nicht erfüllt. Auch Vokuhila-Fans können offenbar mit Navigeräten umgehen. Die meisten Besucher sind freilich harmlos, lassen sich vor „'t Pleintje“ fotografieren und ziehen wieder ab.

Aber die ganz Hartnäckigen haben größere Mengen Schultenbräu-Bier dabei, saufen und singen den Refrain des „New Kids Nitro“-Titelsongs: „Hoeren neuken nooit meer werken“. Gibt es jemanden im Publikum, der diesen Wunschtraum der Filmhelden teilt? Deutsch geht er so: „Huren bumsen, nie mehr arbeiten.“

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